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Toedlicher Sumpf

Toedlicher Sumpf

Titel: Toedlicher Sumpf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joy Castro
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Gastes ein Zedernholz-Räucherstäbchenangezündet worden, und nirgends steht eine Flasche mit Päonien-Duftöl, aus der ein paar Schilfhalme ragen. Es riecht nach reiner, kühler Luft und den kostbaren Objekten, die sie umgibt: Ledersofas, Bronzestatuen, gerahmte Lithografien. Es ist der satte, kalte, bewusst leere Geruch echten Reichtums. Ich fühle mich durch und durch unwohl – wie ein Dienstmädchen oder ein Eindringling.
    »Ich bin Georges Mutter, meine Liebe«, sagt sie. »Wir leben hier zusammen, und er hat mich gebeten, bei dem Gespräch zugegen zu sein.«
    »Gern«, erwidere ich, »kein Problem.« Ich gehe immer noch hinter ihr her. Dieses Haus ist riesig. Gewaltig. Und die Mauern müssen richtig dick sein: Es ist vollkommen still.
    Wir kommen an Buddhastatuen vorbei, die auf Sockeln thronen, an Wänden voller schwarzer afrikanischer Holzmasken, an verwischten Pastellkreidezeichnungen in blattgoldverzierten Rahmen. Endlich erreichen wir einen geringfügig tiefer liegenden Wohnraum mit einer komplett verglasten Wand. Dahinter liegt ein begrünter Innenhof, der vor Bananenstauden und blühenden Hibiskussträuchern förmlich überquillt. Allein beim Hinschauen hat man das Gefühl, eine geeiste Fruchtbowle zu schlürfen.
    Ansonsten ist der Raum in diskretem Grau gehalten: graue Wände, grauer Teppich, graue Wildledersofas und ein Kamin aus grauem Marmor – ohne Feuer. In einem Sessel mit Leopardenmuster wartet ein grauer Mann. Er ist erst zweiundvierzig, aber so zusammengesunken, wie er da hockt, sieht George Anderson aus wie sechzig. Ohne mich anzuschauen, erhebt er sich, ein großer Mann mit krummen Schultern. Er trägt eine knittrige Kakihose, ein gelbes Polohemd und eine Nickelbrille. Seine Züge sind ebenmäßig, sein dunkelblondes Haar voll – man könnte ihn gutaussehend nennen. Kurz und eher schlaff drückt er mir die Hand.
    »Hallo«, murmelt er und setzt sich wieder. Seine Hand war feucht. Er ist nervös.
    Das registriere ich dankbar, denn seine Nervosität macht mich sicherer. Ich kann mir vorkommen wie die großzügige Gastgeberin, deren Aufgabe es ist, einen schüchternen Gast aus der Reserve zu locken – und nicht wie eine ängstliche Dienstbotin, die nicht wagt, in diesem herrschaftlichen Haus etwas anzurühren, vor lauter Sorge, sie könnte es kaputt machen. Dass George Anderson sich fürchtet, macht mich wieder zur Herrin der Lage. Er ist der entlassene Straftäter, und ich bin die Reporterin, die versucht, sein Vertrauen zu gewinnen, ihm ein gutes Gefühl zu geben – so gut, dass er auf meine Fragen ehrlich antwortet und Dinge preisgibt, die er später vielleicht bereut.
    »Mr. Anderson! Vielen Dank, dass Sie sich bereit erklärt haben, mit mir zu reden.« Ich setze mein breitestes Lächeln auf. »Damit helfen Sie mir, dieses wichtige Thema angemessen an die Öffentlichkeit zu bringen.«
    »Wir danken Ihnen, meine Liebe«, erwidert seine Mutter. George Anderson schweigt. Also hat sie hier wohl das Sagen. »Nehmen Sie doch Platz!« Wunderbar. Obwohl alt und zerknittert und mit einem Vergewaltiger als Sohn, gibt sie die Grace Kelly.
    Wir setzen uns – ich auf eins der grauen Sofas, so nahe bei George, dass ich die Hand ausstrecken und ihn berühren könnte, sie auf dem Sofa gegenüber, von wo sie hellwach und aufmerksam zu mir herüberspäht wie ein kleiner Vogel. Optimal ist das nicht.
    Ich hole mein Diktiergerät hervor.
    »Sie haben doch nichts dagegen, oder?« Ohne einem der beiden in die Augen zu sehen, bringe ich es auf dem Glastisch zwischen uns in Position. Er schüttelt den Kopf, und ich drücke die ON-Taste.
    »Hätten Sie gern etwas Kaltes zu trinken, meine Liebe?«
    »Das wäre schön, ja. Vielen Dank.«
    Sie zieht ein kleines Teil aus der Jackentasche und drückt darauf. Kurz danach geht eine Tür auf, und eine junge schwarzeFrau erscheint. Sie trägt eine regelrechte Dienstbotenkluft in Schwarz und Weiß. Wie in einem Porno.
    »Wir haben Limonade«, verkündet Mrs. Anderson, »Eistee, Sprudelwasser und Soda Pop.« Aha! Soda Pop – das hätte Grace Kelly nie gesagt; vielmehr weist es Mrs. Anderson als geborene Südstaatlerin aus.
    »Eistee«, sage ich, »ungesüßt.«
    »Und George und ich hätten gern Limonade. Danke, Dahlia.«
    »Ja, Ma’am«, haucht Dahlia und scheint sich gleich darauf in Luft aufzulösen.
    »Sie haben es wunderschön hier«, jubele ich und strahle beide Andersons an, doch George, der auf seine Hände starrt, kriegt nichts davon mit.
    »Danke, meine

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