Tödliches Abseits (German Edition)
aber nichts gesehen, was im Ergebnis auf dasselbe hinauslief. So blieben auf Cengiz’ Liste schließlich nur noch zwei Namen übrig.
Peter Brubecky wohnte in der Münsterstraße, die sich im Dortmunder Norden befand, wie Cengiz nach längerem Suchen im Stadtplan feststellte. Er aber war gerade in Dortmund-Hörde im Süden und musste nun die halbe Stadt durchqueren.
Eine gute halbe Stunde später stand der junge Türke vor dem Haus mit der Nummer 73. Cengiz fand das Namensschild P. Brubecky und drückte den Klingelknopf. Eine halbe Minute später summte der Öffner. Cengiz machte die Tür auf und betrat einen dunklen und kühlen, etwas muffig riechenden Hausflur, in dem zerbeulte und teilweise aufgebrochene Briefkästen hingen. Er suchte den Lichtschalter. Eine funzlige Deckenleuchte erzeugte schemenhafte Schatten.
Im hinteren Bereich des Flures erkannte Cengiz zwei Fahrräder und einen Kinderwagen. Auf dem Boden unter den Briefkästen lagen Werbesendungen und Reklamezeitschriften. Der dunkelgrüne Ölanstrich auf den Flurwänden blätterte ab. Eine Wohnungstür war nicht zu entdecken.
Kaya begann, die knarrende Holztreppe hinaufzusteigen.
In der dritten Etage entdeckte er das gesuchte Namensschild an einer nur angelehnten Tür.
Cengiz klopfte und rief: »Hallo? Hallo?«
Einen Moment später erschien ein junger Mann Anfang zwanzig in der Tür und musterte seinen Besucher von oben bis unten. »Ja?«, fragte er.
»Mein Name ist Cengiz Kaya. Sind Sie Herr Brubecky?«
»Ja, warum?«
»Es dreht sich um die Schlägerei letzten Samstag im Zug nach Dortmund. Sie waren doch in diesem Zug, oder?«
»Sind Sie von der Polizei?«
»Nein, ich komme ...«
»Dann ist es mir egal, woher Sie kommen. Und jetzt«, Brubecky machte Anstalten, seine Wohnungstür zu schließen, »hab ich leider keine Zeit mehr.«
»Bitte warten Sie. Es ist wichtig.« Cengiz dachte fieberhaft nach. »Sind Sie ein Fan des BVB?«, fragte er dann hastig.
Brubecky ließ die Tür noch einen Spalt offen. »Bin ich. Was soll die Frage?«
»Vielleicht können Sie einem anderen BVB-Fan aus der Klemme helfen.«
»Aus der Klemme helfen? Wie meinen Sie das?« Die Tür wurde wieder etwas weiter geöffnet.
»Im Zug wurde ein Toter gefunden, der ...«
»Stand in der Zeitung.«
»Wir glauben, dass der Tatverdächtige, ein BVB-Fan wie der Tote, nicht der Täter ist.«
Brubecky machte die Tür nun ganz auf. »Wer ist wir?«, fragte er interessiert.
»Ich arbeite für den Anwalt des Tatverdächtigen. Wir suchen nach Zeugen, um seine Unschuld zu beweisen.«
»Sie meinen also, dass der ... was stand in der Bild , wie heißt der gleich?«
»Droppe. Michael Droppe.«
»... dass der Droppe unschuldig ist?«
»Ja, das glauben wir.«
»Und wer soll es sonst gewesen sein?«
»Das wollen wir ja gerade herausfinden. Vielleicht einer der Schläger? Das waren Dortmunder, oder?«
»Aber auch Schalker!«
»Gut. Erst Dortmunder, dann Schalker?«
»Sah so aus.«
»Dann waren Sie also im Zug?«
»Ja, war ich«, antwortete Peter Brubecky widerwillig. »Aber warum sollte ich ausgerechnet Ihnen, ich meine, ist der Anwalt auch ...« Er sprach nicht weiter.
Cengiz erahnte, was Brubecky meinte, und spürte Ärger in sich aufsteigen. »Was? Ausländer?«, fragte er barsch.
Brubecky nickte.
»Nein. Ist er nicht. Spielt das für Sie eine Rolle?«
Der Wohnungsbesitzer schüttelte den Kopf. »Eigentlich nicht.« Dann gab er sich einen Ruck. »Kommen Sie rein. Geht ja schließlich um einen von uns.«
»Eben«, bekräftigte Cengiz. »Es geht um einen BVB-Fan. Um was sonst?«
Brubecky schloss hinter Kaya die Tür, blieb aber in dem Wohnungsflur stehen. »Also, was wollen Sie wissen?«
»Der Tote saß etwa in der Mitte des Wagons. Wo waren Sie?«
»Etwa zwei Reihen dahinter. Als die Schlägerei losging, habe ich zunächst überhaupt nicht geschnallt, was da eigentlich abging. Bis einer der Mistkerle mir voll eine übergezogen hat. Mit dem Schlagstock. Hier«, Brubecky zeigte auf seinen Hals und oberen Brustkorb, »hat der mich getroffen. Da ist jetzt noch alles blau.«
»Und dann? Was passierte dann?«
»Ja, was passierte dann? Ich hab mich fallen lassen und zugesehen, dass ich mir nicht noch mehr Prügel einfange.«
»Haben Sie etwas davon mitbekommen, was um Sie herum passierte?«
»Absolut nichts. Ich sagte ja schon, ich habe versucht, mich selbst zu schützen. Das war ein solches Chaos, da versuchte jeder, in Deckung zu gehen.«
Cengiz war enttäuscht.
Weitere Kostenlose Bücher