Tödliches Abseits (German Edition)
ist der vermisste Hubert Hasenberg. Hier, seine Akte.«
Husenau reichte Krawatzki einen dicken Schnellhefter. »Kein Verlust für die Menschheit, wenn Sie mich fragen.«
Krawatzki sah seinen Kollegen entgeistert an: »Wie soll ich denn das verstehen?«
»Hört sich hart an, aber Hasenberg war nun nicht gerade das, was man landläufig eine Stütze unserer Gesellschaft nennt.«
Husenau bequemte sich zu einer ausführlicheren Erklärung. »Hasenberg ist ein alter Bekannter von uns. Er gehörte zu einer Gruppe von Nachwuchszuhältern in den Münchener Vororten. Nicht die ganz große Unterwelt, aber immerhin. Schulmädchen einschüchtern und sie dann anschaffen schicken. So was in der Art. Etwas dealen mit Kokain oder auch Heroin. Manchmal auch Hehlerei, also alles, was so kommt. Hasenberg ist einschlägig vorbestraft. Unzucht mit Minderjährigen, Zuhälterei, schwere Körperverletzung, Diebstahl und Einbruch. Eine beeindruckende Liste, nicht? Insgesamt hat der seit seiner Geburt fast dreizehn Jahre gesessen, entweder im Knast oder in Heimen. Eine typische Karriere.«
»Was ist mit seinem Bruder? Der hat doch Vermisstenanzeige erstattet, oder?«
»Hat er. Heinz heißt der. Der ist fast zehn Jahre älter. Automechaniker oder so was. Bei uns liegt nichts gegen den vor.«
»Und die Eltern?«
»Vater unbekannt. Die Mutter ist vor einigen Jahren verstorben.«
»Könnte Hasenbergs Tod irgendetwas mit seinen Aktivitäten hier in München zu tun haben?«
Husenau zuckte mit den Schultern. »Schon möglich. Vielleicht ist er einem der Platzhirsche aus Russland in die Quere gekommen. Oder er hatte eine Auseinandersetzung mit seinen Kumpels aus der Gang. Wer weiß. Vielleicht hat er auch nur die falschen Leute übers Ohr zu hauen versucht. Wir haben unsere Informanten befragt, aber die wissen entweder nichts oder sagen nichts. Letzteres würde dann allerdings bedeuten, dass Hasenberg sich mit wirklich einflussreichen Gangstern angelegt hat.«
Krawatzki erhob sich. »Sie haben mir sehr geholfen. Wenn Sie etwas hören sollten ...«
»... informieren wir Sie sofort. Ist doch selbstverständlich.«
»Danke. Haben Sie an die Anschrift des Bruders ...«
»Natürlich. Bitte.« Husenau reichte Krawatzki ein Blatt Papier. »Dort finden Sie auch die Namen und Anschriften der Freunde, die mit in Gelsenkirchen waren. Die sind zwar nun auch nicht gerade ohne, aber nicht wirklich gefährlich. Die werden Sie vermutlich nicht in ihren Wohnungen antreffen. Ich habe Ihnen den Namen der Kneipe aufgeschrieben, in der sie sich meistens rumtreiben. Die Dicke Alte kennt in München jeder Taxifahrer. Eine ziemlich üble Kaschemme, wenn Sie mich fragen.«
»Vielen Dank. Ich werde Sie auch auf dem Laufenden halten.«
»Das wäre nett. Ach, soll ich Sie in Ihr Hotel bringen lassen?«
»Das ist nicht nötig.«
Etwas später stand der Recklinghäuser Kommissar unschlüssig vor dem Polizeipräsidium. Ein leichter Nieselregen veranlasste ihn, den Kragen seines Trenchs hochzuschlagen. Krawatzki sah auf die Uhr. Halb neun. Er nahm sein Handy, gab der Hotelrezeption Bescheid, dass er später als angegeben eintreffen würde, und machte sich auf die Suche nach einem Taxi.
Das Lokal Dicke Alte lag in einer der dunkleren Gegenden Schwabings an einer Straßenecke. Schon von draußen konnte Krawatzki Rockmusik hören. Er ging die drei Stufen zur Eingangstür hoch und öffnete. Bruce Springsteen begrüßte ihn mit Born in the USA . Die Luft war angereichert mit Rauch und Bierdunst.
An der Theke hockten drei Männer mit langen Haaren, die ihre Lederjacken lässig über die Schultern geworfen hatten. Ihre T-Shirts spannten sich über muskelbepackte Oberarme, die zahlreiche Tätowierungen schmückten. Weiter hinten im Raum spielten zwei weitere Gäste Poolbillard. Auch diese schienen ihre Freizeit überwiegend in Kraftstudios zu verbringen.
Krawatzki schluckte und hielt sich an seiner Umhängetasche fest. Dann gab er sich einen Ruck und ging fes-
ten Schrittes zur Theke.
»Ein Bier, bitte.« Er schaute auf seine Liste. »Und ich suche Kai Walther, Peter Bröhler oder Josef Stadder. Sie sollen hier Stammgäste sein. Kennen Sie sie?«, fragte er den Wirt, dessen Statur der seiner Gäste in nichts nachstand und der den Polizisten nur stumm musterte.
»Wer will das wissen?«, fragte eines der Muskelpakete links von Krawatzki mit einem drohenden Unterton.
»Ich will das wissen. Krawatzki. Kriminalpolizei.« Er hielt seinen Ausweis hoch.
»Ein Bulle«, sagte
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