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Tödliches Abseits (German Edition)

Tödliches Abseits (German Edition)

Titel: Tödliches Abseits (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Zweyer
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Gelegenheit und ging, sehr zum Bedauern seiner Mutter.
    Etwa eine Woche später hörte der Fan zum ersten Mal die Stimme seines Vaters. Er hatte gerade seine Abendtoilette beendet und wollte sich schlafen legen, als jemand seinen Namen rief. Verblüfft ging er zu seiner Wohnungstür und lauschte, hörte aber nur Verkehrslärm von der Straße. Kopfschüttelnd legte er sich ins Bett. Plötzlich schreckte er hoch. Da war es wieder, ganz deutlich. Jemand rief ihn: Vater.
    Drei Tage später meldete sich Vater erneut. Er erzählte von der Geisterwelt jenseits der Grenze des Todes, in der er lebte. Und er sprach mit dem Fan über früher, als sie gemeinsam auf Schalke waren. Vater erzählte, wie er den Fan auf seine Schultern gehoben hatte, damit dieser über die geschwenkten blau-weißen Fahnen hinweg einen Blick auf das Spiel werfen konnte. Er weckte die Erinnerung an Momente von Wärme und Geborgenheit, an Süßigkeiten nach Schalker Siegen und die gemeinsamen Besuche in Vaters Stammkneipe vor den Heimspielen.
    In dieser Nacht schlief der Fan erst spät und tränenüberströmt ein.
    In den Wochen darauf führte er einen regelrechten Dialog mit seinem Vater. Er erzählte ihm von seiner Arbeit, den neuen Spielern von Schalke und dann, nach einem gewissen Zögern, von seinen Ritualen und den Opfern, die er brachte. Zunächst hörte Vater aufmerksam zu, fragte neugierig nach und interessierte sich für jede Kleinigkeit. Vater verstand das mit den Trikots der Anderen , teilte seine Begeisterung für fremde Fußballarenen.
    Als der Fan aber von seinem jüngsten Ritual berichtete, bemerkte er so etwas wie Unverständnis, ja, fast schien es ihm, als ob Vater etwas ungehalten wäre. Trotzdem erzählte der Fan weiter, froh jemanden gefunden zu haben, mit dem er seine geheimsten Gedanken austauschen konnte. Dann war er sich auf einmal sicher, dass Vater nicht mit ihm zufrieden war. Das ist nicht fair, mein Junge. Das ist nicht fair. So darfst du unseren Königsblauen nicht helfen, so nicht. Auf dem Rasen werden die Spiele entschieden, so nicht. Das ist nicht fair.
    Nicht fair , gellte es in seinem Kopf. Nicht fair, nicht fair  ... Vater hatte Recht. Tief in seinem Innersten wusste er das. Der Fan schlug sich mit den Fäusten gegen seine Ohren, bis sie schmerzten. Aber Vater ließ sich so nicht zum Schweigen bringen. Das ist nicht fair, mein Junge.
    Voller Furcht verließ der Fan seine Wohnung, um ziellos in der Stadt umherzuirren. Schließlich kaufte er aus Verzweiflung an einem Kiosk eine Flasche billigen Schnaps. Sehr zum Ärger des Verkäufers öffnete er die Pulle noch an der Bude, trank hastig und erregt einige Schlucke und machte sich erst dann wieder auf nach Hause. Noch auf dem Weg spürte er eine wohlige Wärme und leichte Benommenheit, die der ungewohnte Alkohol in ihm auslöste. Trotzdem hörte Vater nicht auf, auf ihn einzureden. Das ist nicht fair, mein Junge. Das ist nicht fair.

38
    »Rüdiger,ich möchte dir Ingo Frühsel vorstellen, im Nebenberuf Hooligan. Er ist einer der Schläger aus dem Zug.« Kommissar Heiner Baumann schob einen pickeligen, ziemlich schmächtigen jungen Mann in das Büro. Frühsel versuchte Baumanns linke Hand an seiner Schulter mit einer unwilligen Bewegung seines Oberkörpers abzuschütteln. »Unser Freund hier hat versucht zu türmen. Da haben ihm die Kollegen Handschellen angelegt. Jetzt ist er friedlicher.«
    »Pah!«, machte Frühsel verächtlich.
    »Oha. Ein ganz harter Kerl«, grinste Brischinsky. »Nimm ihm die Handschellen ab.« Baumann sah seinen Chef fragend an.
    »Nun mach schon.«
    Als Frühsel Brischinsky gegenüber saß, hielt ihm der Polizist seine Zigarettenpackung entgegen. »Willste eine?«
    »Für dich immer noch Sie, klar?«, bekam er patzig zur Antwort.
    Brischinsky ließ die Zigarettenschachtel fallen und schraubte sich von seinem Platz hoch. Dann ging er langsam um seinen Schreibtisch herum und packte den Picke-
ligen mit seiner Rechten am Kragen. Frühsel machte Anstalten, sich zu wehren, ließ es aber dann doch.
    Brischinsky zog den Hooligan zu sich hoch und sagte leise: »Mein Junge, einen größeren Gefallen kannst du mir nicht tun, als mich anzugreifen. Also los, mach schon. Mein Kollege hält sich raus.«
    Als Frühsel nicht reagierte, lockerte Brischinsky seinen Griff. »Bist wohl doch nicht so ein Harter, was? Jetzt hör mir genau zu! Ich sage das nur einmal! Wir machen das hier auf zivilisierte Art und Weise oder ...« Der Hauptkommissar bequemte sich nicht

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