Toedliches Erbe
Leute, die
»beautiful people«. Geld und das Im-Mittelpunkt-Stehen. Der Reich-tum von Leos Freunden und das Leben, das sie führten, hatte Kate schon immer den Atem verschlagen. Am Theban war das protzige Geldausgeben so unmöglich wie das Zulassen rassischer Vorurteile.
Einer von Leos Freunden war extra zum Autorennen nach Indiana-polis geflogen; ein anderer hatte schon vor der Abschlußprüfung, quasi als Vorleistung, ein tolles, teures Auto geschenkt bekommen.
War das der Unterschied zwischen Mädchen- und Knabenschulen?
Kate glaubte das nicht. St. Anthony’s hatte vor zehn Jahren nach einer Phase, in der es als besonders angesehenes, zurückhaltendes Institut galt, einen neuen Leiter angestellt, der seine Aufgabe eindeutig darin sah, die richtigen Leute mit dem großen Geld anzulocken, den Stiftungsfonds aufzustocken und das alte Gebäude durch einen Anbau zu erweitern. Das war ihm auch gelungen. St. Anthony’s zog nicht nur die Kinder prominenter Politiker und Schauspieler an, sondern auch die Reichen und die spendablen Neureichen, die es sich gern etwas kosten ließen, ihre Kinder mit den Kindern von Mächtigen und berühmten Schauspielern auf dieselbe Schule zu schicken. Dieser Direktor war gut in gesellschaftlichen und finanziellen Fragen, hatte aber nie unterrichtet. Seine einzigen Fähigkeiten betrafen Geld und Kontakte, und sein Ego erforderte es, daß die Leute aus der Schulverwaltung ihm unterlegen waren. Kate konnte sich der Erkenntnis nicht mehr verschließen, daß Leo und seine Freunde unter anderem deswegen so unerträglich waren, weil sie wußten, daß sie klüger waren und bessere Werte hatten als diejenigen, die ihre Schule leiteten.
»Gut«, tröstete sich Kate, »ich habe die Schule nicht ausgesucht, und in sechs Wochen hat Leo sie hinter sich. Was kann da noch passieren?« Sie fragte sich, ob Max den Ricardo-Sprößling wohl kannte. Er würde ihn vielleicht etwas weniger emotional beurteilen als Leo. Sie setzte diesen Punkt auf die Tagesordnung für den Lunch mit Max. Wie so oft, kehrten auch jetzt ihre Gedanken zu Gerry Marston zurück, die, das fiel ihr jetzt auf, in den Klippen nahe dem Haus von Ricardos Großmutter den Tod gefunden hatte. Seltsamer Zufall.
Eine weitere Verbindung zwischen der Max- und der Leo-Frage, 52
wie sie es für sich nannte, ergab sich an dem Tag, an dem Kate mit Max zum Lunch verabredet war: Vom Essen im Cosmopolitan Club mußte sie nämlich in den Central Park, wo Leo Baseball spielte.
Reed hatte spöttische Kommentare abgegeben.
»Mir fällt Lord Randolph Churchill ein«, hatte er gesagt. »Als der einmal in seinem Club irgendeinem Langweiler in die Klauen geriet, läutete er und sagte zum Kellner: ›Macht es Ihnen etwas aus, sich das Ende der Geschichte anzuhören?‹ Und verließ den Raum.«
»Was willst du damit sagen?« hatte Kate gefragt.
»Ich will damit sagen: Wenn Leo ein Publikum braucht, dann ruf doch eine ältere Dame an, die nichts zu tun hat, und frage sie: Würde es Ihnen etwas ausmachen, sich dieses Spiel anzusehen? Und du gehst wieder an die Arbeit.«
»Vielleicht könntest du versuchen zu kommen«, hatte Kate geantwortet. »Baseball magst du ja lieber als Basketball.«
»Aber nur so, wie ich lieber erschossen würde als gehängt. Wer hätte gedacht, daß du mal eine solche Begeisterung für männliche Sportarten entwickeln würdest…«
»Ich hasse Football«, war Kate ihm ins Wort gefallen.
»Wenn Leo sich dafür entschieden hätte, wärst du auch dahin gegangen, oder etwa nicht?«
»Wahrscheinlich«, hatte sie zugegeben. »Dem Himmel sei Dank für die kleinen Dinge. Nebenbei gesagt, Ricardo spielt beim Baseball den Shortstop.«
»Wer ist Ricardo?«
»Erinnere mich, daß ich dir bei Gelegenheit von ihm erzähle«, hatte Kate gesagt und war in den Cos Club verschwunden.
In der gemütlichen Lounge nahm sie zuerst mit Max einen Drink.
Max ließ sich nieder mit dem glücklichen Gesichtsausdruck, den er stets zeigte, wenn er von dem umgeben war, was er Zivilisation nannte. Die hübsche Kellnerin in ihrer Uniform nahm die Bestellung entgegen. Der Cos Club könnte mir schon gefallen, dachte Kate, denn hier bin ich oft die Jüngste, während ich anderswo immer zu den Ältesten gehöre.
»Und wie geht es Ihnen, Kate?« fragte Max, der offenbar ihre Gedanken las. »Noch nicht wie ich dabei, alt und wunderlich zu werden?«
»Mir geht es gut«, sagte Kate und riß sich zusammen. »Abgesehen von einer bohrenden Neugier, was die
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