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Toedliches Erbe

Toedliches Erbe

Titel: Toedliches Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Cross
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und dann folgt die Unterschrift ›Geraldine Marston‹.«
    »Mal angenommen, sie beschloß, nicht auf Cecilys Rückkehr zu warten, und unternahm einen kleinen Einbruch?« sagte Sparrow nach einer Weile.
    »Es muß sie fast verrückt gemacht haben, mit gebundenen Händen dazusitzen und nichts tun zu können. Ich bezweifle, daß sie einen Einbruch plante. Wahrscheinlich glaubte sie, niemanden zu stören, wenn sie sich ein wenig in der Gegend umsah – und dazu gehörten unglücklicherweise auch die Felsen. Ich darf wohl kaum eine Kopie von dem Brief machen?«
    »Auf keinen Fall dürfen Kopien angefertigt werden«, sagte Sparrow streng. »Das steht im Kaufvertrag. Was Sie jetzt brauchen«, setzte er hinzu, »ist ein Glas Sherry. Entschuldigen Sie mich solange?« Im Hinausgehen blieb er kurz stehen und tippte mit dem Finger auf einen Apparat gleich neben der Tür. Es war nicht irgendein Apparat, es war, bei Gott, ein Kopierer. Kate konnte damit umgehen –
    wer konnte das nicht? Diese Geräte waren so allgegenwärtig wie Verbrennungsmotoren. Innerhalb von Sekunden hatte Kate eine Kopie des Briefes in ihrer Handtasche; das Original lag wieder auf 96

    dem Tisch. Als Sparrow zurückkam, schaute sie aus dem Fenster ins Weite. Er schenkte den Sherry ein.
    »Auf Ihre Reise«, sagte er und hob das Glas. »Ich beneide Sie.«
    97

Neun

    E in englischer Schriftsteller, selbst Cambridge-Absolvent, schrieb vor einigen Jahren in seiner Autobiographie: »Jeder Oxfordi-aner geht mit wenigstens einem Buch über Oxford schwanger und bringt es im allgemeinen auch zur Welt.« Niemand, der in Cambridge war, verspürt dagegen den Drang, darüber zu schreiben. Die Verallgemeinerung stimmte zwar nicht, enthielt aber wie alle Verall-gemeinerungen ziemlich viel Wahrheit. Kate jedenfalls war, als sie vor dem Martyrs Memorial stand, geneigt, dieser Behauptung zuzu-stimmen. Oxford schien ihr weniger aus eigenen Erinnerungen zu bestehen als aus denen berühmter oder auch nur gebildeter Leute, deren Berichte sie gelesen hatte. (Nicht zu reden von all dem, was in die Romane und Gedichte jener eingeflossen war, die die Stadt mit ihren träumenden Türmen nie hatten vergessen können.) Auch Kate war zu ihrer Zeit im Boot über den Cam gestakt, durch die Seiten-straßen von Cambridge gewandert und hatte, nicht immer religiöse, Ehrfurcht in der Kings College Chapel gespürt. Sicher, Cambridge war von großartiger Schönheit. Aber Oxford war für sie der Nabel der wissenschaftlichen Welt, nicht zuletzt, weil es, obwohl Industrie-stadt, so doch ein Ort voller Geheimnisse war. Jedes seiner Colleges hatte Höfe und Gärten, die ineinander übergingen, nur den Einge-weihten bekannt und oft nur geladenen Gästen zugänglich waren.
    Kate fragte sich, wie wohl das Leben in einer amerikanischen Universität aussähe, wenn jede Fakultät ihren eigenen Garten hätte, in dem man sich treffen und eine Natur genießen konnte, die sich dem Betrachter in sorgsam gepflegten Blumenbeeten und alten Bäumen darbot. Wenn auch die Blumen in den Gärten der Colleges schöner blühten denn je – die Gebäude und der Verkehr ließen den Gedanken nicht aufkommen, daß Oxford zu einem Museum geworden sein könnte. Auch das dazu gehörige alte Lagerhaus gegenüber konnte nicht verhindern, daß Blackwell’s Schiffahrtsgebäude an der Parkend Street mit seinem Glas und der Klimaanlage aussah wie für das Zentrum von Detroit entworfen. Wenigstens war man klug genug gewesen, keine Hochhäuser zu bauen, tröstete sich Kate. Die Türme be-herrschten noch immer den Himmel, dazu gehörte auch dieses gräß-
    liche Ding in Nuffield, das man 1958 als Bibliothek und ohne Gefühl für Angemessenheit und Zurückhaltung gebaut hatte.
    Kate griff nach dem Fahrrad, das sie sich gerade geliehen und 98

    hinter dem Denkmal abgestellt hatte. Sie hatte ihren Abscheu gegen das Auto mitgebracht in eine Stadt, die am Verkehr zu ersticken drohte. Sie hatte vor, durch Oxford zu radeln, und hoffte, entsprechend exzentrisch zu wirken. Sie streckte den linken Arm aus, wollte in die St. Giles einbiegen, von dort in die Woodstock Road und am Eingang zum Somerville vorbei, wo Cecily und Dorothy Whitmore und Max’ Mutter ihre Freundschaft bald besiegelt hatten.
    Tatsächlich hatte Kate die Materie weit genug erforscht, um zu wissen, daß 1918 die SomervilUaner noch im St. Mary Hall Quadrangle des Oriel College untergebracht waren, während die männlichen Bewohner dieses geheiligten Bezirks ausgezogen

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