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Toedliches Erbe

Toedliches Erbe

Titel: Toedliches Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Cross
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einlagern. Hugh nennt es eine vertikale Ranch. Da ich dem wunderbaren englischen Bier in den wunderbaren Pubs nicht widerstehen kann, ist es tröstlich zu wissen, daß man sich die Kalorien täglich auf den Treppen wieder abstrampelt. Und deshalb bin ich hier. Unsere Straße ist übrigens eine Art Zwischenzone: Wenn ein Lehrer soweit war, daß er heiraten konnte, dann wohnte er zuerst hier, am Woodstock-Ende. Die Arbeiterklasse wohnt am Walton-Ende. Der Neubau da drüben ist für das St. John’s; aus der St. Bernard’s Road wird also noch etwas. So, jetzt bist du dran. Laß hören, was du zu erzählen hast. Hoffentlich sind es hübsch ausgefallene Sachen.«
    Kate schleuderte die Schuhe weg und zog die Füße unter sich auf 102

    den Sessel. Daß es keine Tische gab, erklärte sich zum Teil dadurch, daß man ein Glas leicht auf den breiten Armlehnen der alten Sessel abstellen konnte. In einem Buch hatte sie gelesen, daß die von ihr ungeheuer bewunderte Colette gesagt hatte, Freundschaft drücke sich, genau wie die Liebe, am wahrhaftigsten im Zwiegespräch aus.
    Ihr wurde klar, daß eines ihrer Probleme in den vergangenen Jahren daher rührte, daß der Alltag solche Gespräche nicht mehr zuließ.
    Diejenigen, mit denen sich ein Gespräch lohnte, waren zu beschäftigt, und die, die Zeit hatten, waren zu langweilig. Um zu sich selbst zu finden, hatte sie dann gelegentlich die Einsamkeit der Hütte gesucht, die ihr Reed, vielleicht als Ersatz für nicht vorhandene Freundschaften, geschenkt hatte. Oder fand man, wenn die Jugend erst einmal vorüber war, nur noch zu Gesprächen mit Menschen, die ähnliche Interessen hatten oder denen man, wie Phyllis, außerhalb des eigenen Dunstkreises begegnete, also dort, wo beide nicht gleich wieder der gewohnten Schwerkraft unterlagen? Sie fragte Phyllis.
    »Du gleichst immer mehr einem Psychiater oder einem dieser jü-
    dischen Komödianten, der ständig eine Frage mit der nächsten beantwortet. Natürlich weiß ich genau, was du meinst. Nie in meinem Leben bin ich so einsam gewesen, und ich habe nicht, wie du gerade, ein paar Schriftstellerinnen entdeckt, um die ich meine Gedanken kreisen lassen kann. Ich muß dir gestehen, mein größtes Ziel ist es, einmal im Speisesaal eines dieser Männer-Colleges zu essen. Hugh sagt, das ist immer noch unmöglich, und selbst wenn er für mich eine Einladung in eines dieser Colleges ergattern könnte, die zugeben, daß Frauen existieren – schließlich bin ich berufstätig, eine für ein Jahr beurlaubte Schuldirektorin, was aber niemanden zu interessieren scheint –, wäre es einziger Krampf, und ich würde mich sehr verlassen fühlen. Die lieben armen Dozenten haben seit Ewigkeiten nicht mehr mit Frauen an einem Tisch gesessen, sagt Hugh; denen würde bestimmt das Essen im Halse steckenbleiben. Entweder sind es nämlich Junggesellen, die in ihrem College leben, oder es sind verheiratete Männer, die ihre armen Frauen und Kinder daheim bei Milch und Cornflakes zurücklassen und selbst in den Speisesaal gehen, um fein zu essen und sich ordentlich bedienen zu lassen. Schließlich gehört ein ausgedehntes und raffiniertes Dinner zu den persönlichen Vorrechten eines Oxforder Universitätslehrers. All diese Regeln entstanden, bevor Lehrer überhaupt heirateten. Ich denke, daß sie mit Erleichterung ihre Häuslichkeit verlassen und sich in sichere männliche Gefilde zurückziehen… Aber auch die sind – zu meiner Freude –
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    in Gefahr und können nicht länger als ein sicherer Zufluchtsort gelten. Einige Colleges, wie zum Beispiel Exeter, haben nie eine Frau in ihren Speisesaal gelassen und beteuern, das auch in Zukunft nicht zu tun. Was nicht heißen soll, daß die lieben Engländer ihren männlichen Gästen gegenüber besonders gastfreundlich wären. Einige prominente amerikanische Professoren sind an sozialer Kälte gestorben.
    Und doch, verdammt noch mal, liebe ich die Bäume und Gärten und Rasen noch immer abgöttisch. Manchmal sehe ich mir im Magdalen-Park die Rehe an und denke, daß man sie hergebracht hat, damit die Jungs von den großen Landsitzen sich wie zu Hause fühlten. Und wahrscheinlich glauben die Nachkommen dieser Jungen, daß Frauen genauso gehalten werden sollten wie Rehe: nett und eingesperrt.
    Diese Welt ist nicht mehr, aber sie hatte ihre Reize.«
    »Und was für Reize«, seufzte Kate. »Stell dir einmal das Leben in den zwanziger Jahren unseres Jahrhunderts vor. Da wurden ge-mischte Gesellschaften nach festen

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