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Toedliches Erbe

Toedliches Erbe

Titel: Toedliches Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Cross
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gehe zum Markt, und auf dem Rückweg hat das Lamb & Flag auf, wo ich ein Bier trinke. Jetzt haben wir noch Zeit für einen Drink, und um uns etwas zurechtzumachen.
    Wenn wir zurückkommen, wird Hugh zu Hause sein, und von ihm erfährst du dann alles über Oxford aus der Sicht des Mannes. Glaube mir, verglichen mit dem Leben einer Frau hier, die nicht das Glück hat, irgendwo dazuzugehören, ist es der Himmel auf Erden; auch wenn Hugh permanent darüber stöhnt, daß englische Tierliebe aus einer Labormaus gleich eine Staatsaffäre macht. Irgendwer aus Hughs Labor ist jedenfalls wegen Tierquälerei von Garnelen vor den Kadi gekommen, ob du es glaubst oder nicht.«
    Sie brachen in eine Richtung auf, die man gewöhnlich keinem Gast empfiehlt, der nach All Souls eingeladen ist. Sie wanderten dem
    – wie Phyllis es genannt hatte – Arbeiterklassen-Ende der St. Bernard’s Road entgegen und kamen an einem Pub vorbei, das offensichtlich der Treffpunkt der dortigen Jugend war. Weder Abfall noch Lärm ließen den Schluß zu, Englands Heranwachsende könnten in Fragen der Ordentlichkeit und Zurückhaltung ihren amerikanischen Generationsgenossen etwas voraus haben. »Leo würde es gefallen«, sagte Kate, »daß man in England offenbar mit dem Biertrinken schon vor der Pubertät anfangen kann. In den Staaten muß er dauernd nachweisen, daß er schon achtzehn ist, und das ist schwierig, weil er es eben noch nicht ist.«
    Sie überquerten die Walton Street und gingen die Walton Well Road hinunter. Unmittelbar danach kamen sie zu der Brücke, die über die Bahngeleise führte. Von dort hatten sie einen ungehinderten Blick auf eine Fabrik – was sie produzierte, war nicht auszumachen
    –, und schon waren sie auf dem Land. Dieser schnelle Übergang von gepflasterten Straßen zu Feldern gehörte für Kate zum Wesen Englands (was immer das hieß), und sie fragte sich, wie lange England diesen Charakter wohl gegen das Ausufern der Vorstädte und Wohnblocks würde bewahren können. Bisher war die Stadtplanung 106

    in England ebenso wie der Rundfunk dem amerikanischen System überlegen, die Architektur der Städte dagegen nicht. Sie überquerten den Fluß, gingen durch ein Tor und waren nun auf dem Treidelpfad zum Perch. Das ganze Anwesen wirkte, zumindest von außen, so pittoresk, daß Kate sich, wie stets in solchen Momenten, fragte, ob sie sich nicht eine Arbeit in England suchen sollte und ein Landhaus in der Nähe. Vielleicht hatte Phyllis, die jetzt an der St. Bernard’s Road auf den Sandbänken der Langeweile gestrandet war, einmal den gleichen Traum gehabt.
    Sie gingen hinein, wo alles recht modern war, bekamen ihre Sandwiches mit Käse und Pickles, bestellten jede ein Pint Bier und gingen durch einen Raum voll lauter Unbeschwertheit in den Garten.
    Hier waren sie, so wollte es der Zufall, allein, wahrscheinlich, weil die Engländer ordentlich und zivilisiert ihr Bier nur in geschlossenen Räumen trinken. Auf dem Dach des Pubs hockten zwei große weiße Tauben mit zu Fächern gespreizten Schwanzfedern und sahen aus wie auf einer Zeichnung von Blake.
    »Das ist keine Halluzination«, sagte Phyllis, als sie Kates Blick folgte. »Die leben hier. Sie mausern oder brüten oder machen gerade sonst etwas, wobei sie stillsitzen müssen. Deshalb sehen sie wie Statuen aus. Hugh und ich haben vor kurzem mit ihrem Besitzer gesprochen. Also, Kate, jetzt beginnen deine Abenteuer mit der Oxforder Nachkriegs-Generation. Du hältst mich doch auf dem laufenden, ja? Ich komme mir vor wie eine dieser gelangweilten Frauen, die anfangen zu töpfern oder zu backen, wenn die Kinder in die Schule kommen, weil niemand sie mehr braucht, außer sie selbst.
    Wir glauben immer, wir wünschen uns ein Leben voll Spontaneität und Improvisation, wenn wir in die Jahre gekommen sind, aber so improvisiert wie das hier hatte ich es mir nicht vorgestellt.« Für einen Moment konnte man die Langeweile und die Niedergeschla-genheit hinter ihrem munteren Gerede spüren.
    »Ganz sicher halte ich dich auf dem laufenden«, sagte Kate.
    »Teilen wir uns noch ein Sandwich mit Käse und Pickles?«
    107

Zehn

    S o ließ sich Kate in einer der Fensternischen der Somerville-Bibliothek mit Blick auf die Tennisplätze und die großen Buchen dahinter nieder und widmete sich den Briefen der Whitmore. Vor allem die Briefe, die Dorothy aus Frankreich, wo sie im Frauenkorps der britischen Army diente, an ihre Familie geschrieben hatte, faszi-nierten sie. Nachts hatte sie bei

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