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Toedliches Erbe

Toedliches Erbe

Titel: Toedliches Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Cross
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habe einiges von Graves wiedergelesen, und natürlich war er mit 109

    Ihrem Verein nicht nur in Oxford, sondern auch am Somerville!
    Nicht, daß er die Whitmore, die Hutchins oder andere Studentinnen erwähnt, aber man bekommt auf alle Fälle ein anderes Bild von dem Leben dort, wenn es das ist, was Sie suchen. Ich brauche wohl nicht hinzuzufügen, daß Somerville ein Lazarett war, als Graves vor seiner Demobilisierung dorthin kam. Eine Zeitlang war er in Wadham, wo er Offiziere ausbildete. Aber die deprimierende und harte Arbeit setzte ihm so zu, daß er wieder in Somerville landete. Dort lümmelten sich die Männer in Pyjama und Morgenmantel herum, und manchmal schlenderten sie in diesem Aufzug sogar die St. Giles hinunter. Was war nur aus Oxford geworden? Aber das gesellschaftliche Leben war – wie Graves in diesem Zusammenhang betont –
    aus den Fugen geraten. Der Lehrer, der ihm bei seinem Eintritt ins College (wohl gleichzeitig mit Ihrer Clique) als Tutor zugewiesen wurde, war nun Korporal und salutierte bei jeder Begegnung mit Graves, dem Captain. Aldous Huxley, über den wir uns bei dem großen Basketball-Sieg von St. Anthony’s unterhalten haben, war auch dort – als eines der wenigen im Hause lebenden Erstsemester.
    Graves pflegte Garsington zu besuchen, wohin jeder, aber wirklich jeder, ging, meine Liebe. Clive Bell hat den Krieg als Kuhhirt auf der Garsington-Farm hinter sich gebracht. Alle Kriegsdienstverwei-gerer versammelten sich dort, offenbar weil die Morrells Pazifisten waren. Aber ich werde mich nicht von Graves’ Geschichten mitrei-
    ßen lassen.
    Als Graves schließlich den Dienst quittierte und nach Oxford zu-rückging, besuchte er das St. John’s College, wohnte aber mit all den anderen Dichtern auf Boar’s Hill. Ich wette, Ihr Trio ist auch dort gewesen. Und mehr noch: Graves heiratete eine Feministin, die sich erstaunlich modern anhört und Whitmore & Co. ziemlich gut gekannt haben muß. Graves’ Frau behielt ihren Mädchennamen, war Atheistin (›Gott ist ein Mann, also kann das alles nur Quatsch sein‹, war ihr unvergeßlicher Kommentar) und hätte sich fast geweigert zu heiraten, als sie am Tag ihrer Hochzeit zum erstenmal den Text der vorgesehenen Trauzeremonie las, ganz wie die Lady in Shaws Stück.
    Ich wünschte, Graves hätte Ihre Leute einmal erwähnt, aber er kam offenbar nicht mehr nach Somerville zurück; er hatte zuviel zu tun damit, T. E. Lawrence am All Souls zu treffen, dem frauenfeindli-chen Ort par excellence. All das wäre sicher eher ein Gespräch bei einem Basketball-Spiel wert als einen Briefwechsel zwischen zwei Wissenschaftlern oder gar zwischen einem Doktoranden und seiner 110

    Sponsorin. Aber Sie haben inzwischen ohne Zweifel bemerkt, daß mir Frivolitäten liegen. Um noch einmal auf All Souls zurückzukommen: Graves und Lawrence (wieder T. E. D. H. widmete sich stets ernsteren und wichtigeren Dingen) hatten einmal vor, dem Magdalen College die Rehe zu stehlen und sie in den kleinen Innen-hof von All Souls zu schaffen. Der Plan platzte leider, sonst wäre den Rehen vielleicht etwas geglückt, was den Frauen nie gelungen ist. Lassen Sie es sich wohl ergehen, liebe Kate, und schicken Sie einmal eine Postkarte an ihren ergebenen Freund und Verehrer John Crackthorne«
    Kate kicherte. Entweder hatte Crackthorne noch nichts von Leos Kalamitäten gehört, oder er hatte sich entschlossen, sie zu ignorieren.
    Vielleicht dachte er auch, Kate wüßte noch nichts davon. Ein Brief über den Atlantik war kaum das richtige Medium für so ein delikates Thema. Kate verließ das Hotel und holte sich hinter dem Haus ihr Fahrrad, ein Transportmittel, dessen die Gäste des teuersten Hotels von Oxford sich in der Regel nicht zu bedienen pflegten. Mit entsprechender Mißbilligung sahen die Angestellten denn auch auf ihr Fahrrad herab, bis die Höhe des Trinkgelds sie in Verwirrung stürzte.
    Kate war es ein Vergnügen, nun von ihren Briefen zu denen der Whitmore zu radeln, und sie freute sich schon auf den Nachmittags-tee bei Phyllis und Hugh.
    »Wir können, wenn du unbedingt willst, Tee trinken«, sagte Phyllis, »aber ich habe auch etwas Härteres in petto, falls Hugh nicht erscheint.« Doch Hugh erschien. Es war Kates erste Begegnung mit ihm in Oxford. Als sie an jenem Abend aus Binsey zurückkamen, war er nicht zu Hause gewesen. Er begrüßte Kate mit einer Geste, die für ihn wohl schon Überschwang bedeutete. (Kate dachte auto-matisch an Watsons Schilderung von seiner

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