Tödliches Experiment: Thriller (German Edition)
der Bakterienschleuseblickte nicht auf, als sie herauskam. Er trug Mundschutz und Haube und war am Steuerungspult beschäftigt. Susan nahm ihn kaum wahr, murmelte „Gute Nacht“ und verließ eilig den Raum.
Als sich die Tür hinter ihr schloss, drehte er sich um und nahm den Mundschutz ab. Es war Henry Palmer. Er griff sofort zum Telefon und sprach mit dem Pfleger, der, wie angeordnet, in Abteilung 1 wartete. „Sie ist jetzt draußen. Wir lassen sie aus dem Gebäude.“ Er hoffte, dass er die richtige Entscheidung traf, wenn er sie gehen ließ. Wenn man sie jetzt zurückhielt, dann würde man vielleicht ihre Kooperation für immer verlieren. Er blickte auf die Uhr: Es war 20 Uhr. Katherine hatte gesagt, dass sie um zehn nach New York fliegen wollte. Das Flugzeug startete vom National Airport, nicht allzu weit von ihrer Wohnung. Vielleicht war sie noch zu Hause. „Und rufen Sie Doktor Blair für mich an“, sagte er. „Sofort. Versuchen Sie es unter ihrer Privatnummer.“
Er verabscheute, was er da tat. Es ekelte ihn vor sich selbst. Es war gegen seine Prinzipien, jemanden zu verraten, und dann auch noch Susan! Vor allem, dass er sie an Katherine verriet. Aber er musste es tun. Wenn er es nicht tat, würde alles auf ihn selbst zurückfallen. Während er darauf wartete, dass Katherine sich meldete, verfluchte er im Stillen den Pfleger, diesen pflichtgetreuen Idioten. Denn als dieser entdeckt hatte, dass Susan nicht bei den EGs sein sollte, hatte er es in sein Logbuch eingetragen, und nun gab es keine Möglichkeit mehr, es zu vertuschen.
Katherines Stimme meldete sich am anderen Ende der Leitung. Sie war verärgert, es war deutlich zu hören. Palmer holte tief Atem und nannte seinen Namen. Als er begann, ihr den Vorfall zu schildern, schaltete er eineTonbandaufzeichnung von Susans Gespräch mit John auf Bereitschaft für eine sofortige telefonische Übertragung. Katherine würde jedes Wort hören wollen, das die beiden gewechselt hatten.
15
Als Susan im Umkleideraum die Bakterienschutzkleidung ablegte, wurde ihr speiübel, und dann nochmals unten, nachdem sie den Ausweis wieder an Tonis weißem Kittel befestigt hatte. Sie fand den Wächter in der Cafeteria und er begleitete sie zu seinem Kontrollpunkt, wo er sie aus dem Gebäude ließ.
„Sie sehen etwas mitgenommen aus, Miss. Ist alles in Ordnung?“
„Ja, danke. Gute Nacht.“
„Gute Nacht, Miss.“
Die Fahrt nach Washington schien Sekunden zu dauern und gleichzeitig wieder eine ganze Ewigkeit. Susan hatte in Trance wahrgenommen, wie sie das Gebäude am Ende der ruhigen Sackgasse verließ, wie sie in ihren Wagen stieg, wie sie einige Zeit darin saß, bevor sie sich stark genug fühlte, um loszufahren, wie sie durch das Labyrinth der Asphaltstraßen fuhr, wie sie im Abendverkehr auf die Wisconsin Avenue einbog.
Danach sah sie nur noch verschwommene Lichter und Autos. Fragen brannten in ihrem Hirn: Warum hatte ihr niemand etwas gesagt? Wie hatte man überhaupt hoffen können, die Täuschung aufrechtzuerhalten? Wie lange würde John jetzt noch am Leben bleiben? Sie fand keine Antworten.
Oh Gott, John, armer John! Es konnte nicht sein und doch war es so. Sie hatte ihn gesehen, mit ihm gesprochen. Und dann die anderen: Köpfe, sonst nichts. Schläuche und Drähte und Apparaturen.
Sie hielt an einer Kreuzung. Die Ampel wechselte von Rot auf Grün, wieder auf Rot und dann nochmals auf Grün. Schrilles Hupen ertönte. Scheinwerfer blendetenauf. Susan hörte und sah nichts. Sie versuchte das alles zu verstehen. Jemand, den sie liebte, der tot und begraben war und betrauert, lebte wieder, aber wie! Es war ein grausiger Hohn. Nur ein Kopf, das hilflose Opfer eines grauenvollen medizinischen Experiments. Ein Unbekannter, und doch kein Unbekannter; die Worte hallten wider wie ein entsetzliches Echo.
Sie konnte nicht weiterdenken, wollte es nicht. Sie fühlte sich völlig zerschlagen. Einige der Fahrer hinter ihr brüllten. Sie fuhr weiter.
Doch als sie nochmals anhalten musste, packte sie wieder das Grauen. Es war wie ein Stromstoß im Nacken, gleichzeitig spürte sie es aber auch in der Brust. Plötzlich erinnerte sie sich, dass John gesagt hatte, er sei kein Freiwilliger; er hatte zwar nicht diese Worte gebraucht, es aber gemeint. Sie versuchte rational zu denken. Es war einfach nicht möglich, Michael hätte das nie gegen Johns Willen getan.
Plötzlich war sie in der Straße, in der sie wohnte. Sie parkte den Wagen. Ein dunkelblauer Porsche stand direkt
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