Toedliches Fieber
musste er die Blutung stillen. Seth würde nicht überleben, wenn er noch mehr Blut verlor.
Auf Matthias’ Befehl wurde ein Tischchen neben ihm aufgebaut. Er griff in den Behälter mit Spinnweben und drückte drei kreisrunde Büschel tief in die Wunde, während er gleichzeitig die Ränder zusammendrückte. Er hielt den Atem an. Nach und nach verringerte sich der Blutstrom und versiegte schließlich. Matthias atmete auf. Auch wenn nur die erste Hürde genommen war, verspürte er wieder einen Funken Hoffnung. Vielleicht konnte er Sethos retten.
Doch auf einmal begann sein Patient unkontrolliert zu zittern. Der Körper reagierte mit einem Schock. Als Matthias die Hände seines Freundes fasste, waren sie eiskalt.
» Decken! «, rief er. Seine Helfer liefen los und kamen Sekunden später mit Decken zurück, die sie auf den Verwundeten häuften.
» Vorsichtig, ihr Dummköpfe! Nicht auf die Schulter! «, schrie Matthias.
Dann hörte er erneut Seths Herz ab. Es schlug unregelmäßig und schwach. Sein Zustand war kritisch. Matthias konnte nicht operieren, solange das Herz nicht stabil war. Seths Kreislauf würde versagen und dann würde er sterben. Matthiasgeriet in Panik. Je länger Sethos mit einer offenen Wunde dalag, umso größer wurde das Risiko einer Verunreinigung. Und wenn die Wunde erst mal entzündet war, würde er Fieber bekommen. In seinem geschwächten Zustand konnte Sethos ein Fieber nicht überstehen. Doch wenn Matthias operierte und sein Kreislauf versagte, würde Sethos innerhalb weniger Minuten sterben.
»Vater«, flüsterte er. »Was würdest du tun?«
Noch nie hatte Matthias einen Rat seines Vaters so sehr gebraucht. Bei den schwer verletzten Gladiatoren, die er in den vergangenen zwei Jahren behandelt hatte, war es ihm leichter gefallen, eine Entscheidung zu treffen, weil sie ihm nicht so sehr am Herzen gelegen hatten. Bisher hatte er sich beim Tod eines Gladiators noch nie einen Vorwurf gemacht, doch er wusste genau, dass er es sich nie verzeihen würde, wenn Seth nicht überlebte. Sie waren gemeinsam verschleppt worden. Man hatte sie in Ketten gelegt und gezwungen, mitanzusehen, wie ihre Familien erschlagen wurden. Ihre Schicksale waren unwiderruflich miteinander verbunden.
»Bitte, Vater!«
Doch sein Vater gab keine Antwort. Er war nicht mehr in dieser Welt, sondern wanderte in den elysischen Gefilden, wo er endlich frei war. Matthias beneidete ihn darum.
Er kauerte neben Seths Lager und strich ihm über die Wange. Sie war nicht mehr so feucht und kalt. Dann hörte er Seths Brust ab. Das Herz schlug regelmäßiger.
»Sehr gut!«, sagte er entschlossen. »Aurelius, ich brauche mehr Licht – hol so viele Lampen, wie du tragen kannst. Telemachus, du hilfst Aurelius dabei, mir zu leuchten.«
Als die Öllampen brannten, stellte Matthias vier von ihnen an den Rand des Tisches und so nah wie möglich an die verletzte Schulter. Dann dirigierte er seine beiden Helfer, ihm von oben zu leuchten.
Schließlich hielt er sein Chirurgenbesteck in die Flamme, um es zu reinigen, und machte sich an die mühevolle Aufgabe, die Splitter aus der Wunde zu entfernen.
Seth atmete immer schwerer. Als er heftig zu schwitzen begann, warf Matthias die Decken fort und arbeitete rasch weiter.
Während der Operation kamen und gingen die Gladiatoren, betrachteten den Bewusstlosen und schüttelten besorgt den Kopf.
»Er war ein mutiger Kämpfer.«
»Einer der besten.«
»Er ist noch nicht tot!«, schnauzte Matthias. »Und jetzt geht mir aus dem Licht!«
Als er den letzten Splitter entfernt hatte, reinigte er die Wunde mit Wasser. In diesem Augenblick kam der lanista mit dem Kranz, den Sethos gewonnen hatte. Er lehnte ihn an den Tisch.
»Wird er es schaffen?«, fragte er.
Matthias zuckte die Achseln und fuhr fort, Seths Schulter trocken zu tupfen. »Das liegt in den Händen der Götter.«
»Wenn Sethos stirbt, mache ich dich persönlich dafür verantwortlich, Matthias. Ich kann es mir nicht leisten, ihn zu verlieren.«
Matthias schluckte die bittere Erwiderung, die ihm auf derZunge lag, hinunter und bemühte sich, die Finger ruhig zu halten.
Nachdem der lanista wieder gegangen war, drückte Matthias erneut Spinnweben in die gesäuberte Wunde, ehe er einen Wickel mit einer Salbe aus Honig, gerösteten Dillsamen und Rosmarin bestrich, den er auf die Wunde legte. Zum Schluss verband er die Schulter mit einer sauberen Mullbinde.
»Sehr gut. Telemachus, wir müssen die Schulter jetzt schienen. Hältst du bitte
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