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Toedliches Fieber

Toedliches Fieber

Titel: Toedliches Fieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dee Shulman
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zeigte Dr. Franklins Diagramm einer typischen Immunantwort. Das Immunsystem gehörte zu den Phänomenen, die mein Interesse an der Mikrobiologie geweckt hatten, als ich elf war. Die Vorstellung dieser mikroskopischkleinen Armee, die alles gab, um ihre Welt (mich) gegen fremde Eindringlinge zu schützen, hatte mich fasziniert. Als ich dann lernte, wie viele mikroskopische Aufgaben die Zellen zu erledigen hatten, war es endgültig um mich geschehen. Seitdem hatte mich das Thema nicht mehr losgelassen. Als Dr. Franklin jetzt zeigte, wie die T-Zellen und Monozyten zum Angriff gegen die Erreger übergingen, fiel mir plötzlich auf, dass ich bei dem Versuch mit Professor Ambrose keinerlei Abwehrreaktion beobachtet hatte  – keine T-Zell-Aktivierung, keine B-Zell-Aktivierung, keine Beteiligung der Makrophagen und mit Sicherheit keine Monozytenreaktion.
    Ich meldete mich.
    »Dr. Franklin, könnte eine superschnelle Ansteckung eine Immunantwort verhindern?«
    »Ich gehe davon aus, dass alle Infektionen irgendeine Reaktion des Immunsystems hervorrufen, Eva. Wie Sie wissen, erkennen die Lymphozyten die eindringenden Fremdkörper und wandern dorthin. Falls sich die Infektion zu stark ausbreitet, können die Abwehrmechanismen bekanntlich auch einmal nicht ausreichen, doch selbst dann gibt es während und nach einer Ansteckung Hinweise auf eine erhöhte Anzahl weißer Blutkörperchen.«
    Bei dem Versuch, den ich damals beobachtet hatte, galten die üblichen Regeln offensichtlich nicht. Der Angriff der Erreger war so konzentriert gewesen, so direkt und gezielt …
    »Dr. Franklin«, hakte ich nach, »und was ist, wenn die die Abwehrzellen direkt angegriffen würden  – könnte das die Abwehrreaktion im Keim ersticken?«
    »Schlau getarnt, oder wie? Interessant. Ein Präventivangriff,der sich direkt gegen die Abwehrzellen richtet … Hmmm. Ich kenne nur ein Virus, das sich direkt gegen die T-Zellen wendet …«
    Ich hielt den Atem an.
    »Und das ist das Aids-Virus.«
    Ich seufzte, weil mir leider völlig klar war, dass mein Virus mit dem HI-Virus nichts gemeinsam hatte.
    HIV war also eindeutig nicht das einzige fiese Virus.
    Es klingelte, die Stunde war zu Ende. Während ich meine Sachen packte, erwog ich, noch einen letzten Rechercheversuch zu starten. Als ich aufstand, stieß ich mit Harry zusammen, der direkt hinter mir stand.
    »Uups, sorry, Harry«, sagte ich und versuchte, mich aufrecht zu halten. Er reichte mir eine Hand, an der ich mich festhalten konnte.
    »Hey, Eva, du warst meilenweit weg. Alles okay?«
    »Ja, bestens.« Ich löste mich vorsichtig von ihm.
    »Tja, dann wollen wir mal, sonst kommen wir zu spät.«
    Ich runzelte die Stirn. »Zu spät? Ich dachte, wir wären fertig.«
    »Äh … und was ist mit der Hamlet -Probe?«
    Er schüttelte lächelnd den Kopf, als wäre ich ein schusseliges Kleinkind, was gar nicht so weit hergeholt war. Was war bloß los mit mir?
    Als wir über den Hof zum Theaterraum gingen, holten wir Astrid, George und Louis ein, die von ihrem Englischkurs kamen.
    Der Blick zwischen Astrid und Harry verriet mir, dass Astrid ihn damit betraut hatte, mich zur Probe zu scheuchen.
    Auf einmal fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Harry war nicht der Einzige, den Astrid geimpft hatte. Vorgestern war es Omar gewesen. Offenbar hatte Astrid ihm die Aufgabe übertragen, mich jeweils von Kunstgeschichte mitzunehmen. Dazu hatte er sich sicher nicht breitschlagen lassen, weil er noch scharf auf mich war, sondern weil er Astrid bewunderte. Mittlerweile ging er mit Verity Sutton aus und schien richtig glücklich mit ihr zu sein. Ehrlich gesagt, freute ich mich sogar, dass wir endlich wieder redeten. Er hatte mir gefehlt. Ruby fehlte mir natürlich auch, aber sie weigerte sich weiterhin, mich auch nur anzusehen. Glücklicherweise spielte sie bei Hamlet nicht mit.
    Nach der Probe musste ich noch einen Aufsatz für Philosophie schreiben und ein physikalisches Experiment auswerten. An diesem Abend würde ich keine Zeit mehr für meine Virenforschung haben. Irgendwie war ich auch erleichtert. Ich hatte es satt, ständig gegen die Wand zu rennen. Mir war klar, dass ich etwas Entscheidendes übersehen hatte. Nur was?
    Dieser Frust nahm mich so in Beschlag, dass ich am nächsten Morgen nach dem Unterricht ohne mein Buch aus dem Griechischkurs schlenderte.
    Als ich schon an der Tür war, drang Dr. Mylnes Stimme durch meine wuselnden Gedanken. »Wollen Sie Ihren Aufsatz über Plato ohne den Quelltext schreiben,

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