Toedliches Geheimnis
das nenne ich aber mal ein Kompliment.«
»So hab ich das doch gar nicht gemeint«, sage ich und kann plötzlich den Klang meiner eigenen Stimme nicht mehr leiden.
Aber anstatt sich noch eine einzige Silbe von mir anzuhören, reißt er sich los und geht in Richtung seines Klassenzimmers.
Na toll.
Im Töpferunterricht ist Kimmie ganz aufgeregt und erzählt mir, sie hätte gehört - aber nicht sicher -, dass Spencer heute Vertretung macht. »Und wir mussten noch nicht mal dafür sorgen, dass Ms Mazur Keuchhusten kriegt.«
»Stimmt«, sage ich und gehe auf ihren scherzhaften Ton ein.
Weniger als dreißig Sekunden später bestätigt sich das Gerücht. Spencer kommt herein, schnappt sich einen Whiteboard-Marker, und schreibt seinen Namen an die Tafel und erklärt, dass sich Ms Mazur auf irgendeiner beruflichen Fortbildung befindet.
»Wird sie morgen auch noch weg sein?«, fragt Kimmie.
»Nee«, sagt Spencer. »Jetzt lasst uns anfangen.«
»So viel zum Thema Smalltalk«, sagt Kimmie verächtlich und verziert ihren Keramiktopf mit einem Tonkringel.
Ich arbeite ebenfalls an einem Topf in Aufbautechnik - einem
mit einem bauchigen Unterteil und einem gedrehten Griff.
Genau wie Ms Mazur es immer tut, dreht auch Spencer eine Runde durchs Klassenzimmer und gibt Kommentare und Ratschläge zu den Arbeiten der einzelnen Schüler ab.
»Und wie ist das hier?«, fragt Kimmie, als er zu uns kommt. »Zu schlabberig?« Sie lässt eine wurmähnliche Tonrolle vor seiner Nase baumeln.
»Zu wenig Substanz«, verbessert er sie.
Kimmie macht ein beleidigtes Gesicht. »Was soll das jetzt heißen?«
Aber er ignoriert sie (und den Wurm) und schaut stattdessen auf meinen Topf hinunter. »Du bist ja am Freitag doch nicht mehr in der Werkstatt geblieben.«
Ich brauche eine Weile, aber dann fällt mir wieder ein, dass er mir angeboten hatte zu reden. »Ich hatte irgendwie noch zu viele Hausaufgaben.«
»Gut.« Er nickt.
Ich schaue auf meine Arbeit hinab und bin mir plötzlich jeder einzelnen meiner Bewegungen bewusst.
»Noch eine Schale?« Er deutet auf mein Werkstück.
»Ein Topf«, sage ich, als würde das einen großen Unterschied machen.
»Wird es dir eigenlich nie langweilig, lauter schalenähnliche Gegenstände zu formen?«
Ich zucke die Schultern und spüre, wie mein Gesicht heiß wird.
»Und was war deine Inspiration hierfür?«, fragt er weiter.
Ich wische meine Hände ab und ziehe meinen Zeichenblock hervor, auf dem ich alles skizziert habe. »Es ist eine spiralförmige Treppe«, sage ich und beziehe mich auf die Bleistiftzeichnung. »Ich hatte gehofft, dass ich sie in Form eines Topfes wiedergeben könnte.«
»Vielleicht liegt da dein Problem.«
Problem? Mein Gesicht fällt in sich zusammen, ebenso schlaff wie mein Topfhenkel.
»Du planst zu viel«, fährt er fort. »Du lässt dich nicht von deiner Arbeit leiten. Vielleicht will das Stück gar keine Treppe werden. Vielleicht will es lieber eine Rutsche sein.«
»Mit anderen Worten, mein Topf wird nichts.«
»Das Ding hat keinen Puls«, sagt er.
»Ich hab schon einen Puls.« Kimmie hält ihm ihr Handgelenk hin. »Willst du mal fühlen?«
Spencer schüttelt den Kopf und schlägt Kimmie vor, sie sollte sich weniger um ihren Puls kümmern und sich stattdessen mehr auf ihre Arbeit konzentrieren.
»Kaum zu glauben, dieses Arschloch«, sagt sie, sobald er außer Hörweite ist. Dann ersticht sie ihren Tonwurm mit einem hölzernen Spachtel.
Ich schüttele den Kopf und kaue auf meiner Unterlippe herum, mein Gesicht ist noch immer ganz heiß, so haben mich seine Worte getroffen.
»Ach papperlapapp«, sagt sie, nachdem sie meinen Zustand bemerkt. »Ich würde gar nichts auf das geben, was er gesagt hat. Er ist offensichtlich nur sauer, weil du nach der Schule nicht in seinem Sandkasten gespielt hast.«
»Wie bitte?«
»Weil du neulich nicht in der Werkstatt geblieben bist, um mit ihm zu reden.« Sie verdreht genervt die Augen, weil sie es mir erklären muss.
Ich zucke mit den Schultern und sehe tatenlos zu, wie mein Topflienkel abfällt.
»Vielleicht ist er ja derjenige, der dir das Geschenk gemacht hat«, meint sie. »Er hat ja ganz offensichtlich Interesse daran, dich mal in deinem Schlafanzug zu sehen.«
»Jetzt verrate mir mal, warum das so offensichtlich sein soll?«
»Hmmmm... warum wohl«, sagt sie und deutet mit dem Kopf nach vorne, wo Spencer an Ms Mazurs Tisch sitzt und uns anstarrt.
26
Ich will mich in der Cafeteria gerade mit Kimm und Wes zum
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