Toedliches Geheimnis
wollen. Wes denkt, dass das Berühren eher etwas mit Macht zu tun hat - so als würde er damit sein ganz persönliches Revier markieren. »Er weiß, dass du nicht angefasst werden willst«, erklärt er, »und er probiert es trotzdem, um dir zu zeigen, wer die Macht hat.«
Ich für meinen Teil weiß nicht, was die Antwort ist. Ich will einfach nur, dass es aufhört.
Die Sache ist die, seitdem ich es vermeide, mit ihm zu reden, hat sich mein Leben tatsächlich fast wieder normalisiert, wie zum Beispiel heute Nachmittag.
Nach der Schule gehen Kimmie, Wes und ich noch in die Eisdiele zu Brain Freeze und teilen uns ein riesiges Banana-Split.
»Die Leute reden immer noch über die kleine Szene, die du da neulich in der Cafeteria abgezogen hast«, sagt Wes.
»Ich hab sie nicht abgezogen. Das war John, falls du dich erinnerst.« Ich schubse seinen Löffel von meiner Seite des Berges und markiere im Stillen mein Eiscreme-Revier.
»Rühr mich nicht an«, sagt er.
»Ohne jede Anspielung natürlich«, fügt Kimmie hinzu. »Also, wo warst du gestern Abend?« Sie schaut Wes an. »Ich hab versucht, dich anzurufen, aber dein Dad wollte mir nicht sagen, wo du bist.«
»Nichts Besonderes.« Er zuckt die Schultern, den Mund voller Eiscreme. »War einfach nur unterwegs, bin ein paar Mädels nachgestiegen, hab irgendwelche Fotos von ihnen gemacht, ohne dass sie es gemerkt hätten, und dann hab ich ihnen noch Geschenke vor ihre Zimmerfenster gelegt. Die Arbeit eines Stalkers ist nie beendet, das kann ich dir sagen.« Er seufzt erschöpft und schaut mich dann vielsagend an.
»Ich hab doch gesagt, es tut mir leid«, erinnere ich ihn.
»Ich ziehe es vor, wenn solche Entschuldigungen deutlich zerknirschter kommen. Aber wo wir schon beim Thema Stalker sind, habt ihr schon von dieser Debbie gehört? Ich hab gehört, Ben hätte sie verfolgt und Mitteilungen an ihrem Schließfach hinterlassen, was sie total verrückt macht.«
»Moment mal, ist das eine von den Neuen?«, frage ich, und mir fällt ein, dass Matt etwas Ahnliches erwähnt hat.
Wes nickt. »Debbie Marcus, neu an der Schule, Teamführerin der Schwimm-Mannschaft und momentan mit Todd McCaffrey zusammen...«
»Und die wird angeblich von unserem Killer Boy verfolgt?«, unterbricht Kimmie.
»So wie du es hier eben gehört hast.«
»Genau«, meint Kimmie schnippisch und lässt ihren Eislöffel auf den Tisch fallen. »Wie kommt’s, dass ich es nicht zuerst gehört habe?«
»Tja, du bist wohl ausnahmsweise mal nicht auf dem Laufenden mit dem Klatsch und Tratsch, was?«, grinst Wes.
»Doch«, sagt Kimmie. »Allerdings gebe ich mich nicht mit den Neuen ab.«
»Nur zu deiner Info, ich hab das alles von einem aus unserem Jahrgang gehört, den ich hier aber nicht nennen will.«
»Wie du meinst.« Kimmie verdreht die Augen. »Und hat dein geheimnisvoller Informant dir noch weitere Einzelheiten mitgeteilt?«
Wes zuckt mit den Schultern.
»Der Witz liegt doch im Detail, mein Junge«, sagt sie. »Ruh dich lieber aus und überlass das mit dem Klatsch und Tratsch mir. Ich krieg da schon was raus.«
»Also so viel kannst du schon mal kriegen«, sagt Wes. »Ich hab die fragliche Neue jedenfalls heute gesehen, wie sie Ben zur Rede gestellt und ihm ein zerknülltes Papier ins Gesicht geworfen hat.«
»Ein zerknülltes Stück Papier oder einen von den verdächtigen Zetteln an ihrem Schließfach, von denen du gesprochen hast?«
Wes legt das Gesicht in Falten. »Wie zum Teufel soll ich das denn wissen?«
»Ich wiederhole«, sagt Kimmie. »Uberlass das mit dem Klatsch lieber mir.«
Ich schiebe mir eine große Ladung Eis auf den Löffel und lehne mich zurück.
»Hast du deinen Eltern von dem ganzen Drama erzählt«, fragt Kimmie und wendet sich zu mir.
»Noch nicht.«
»Wenn es dir echt so unheimlich vorkommt, dann denke ich, solltest du es ihnen erzählen«, sagt sie. »Ich wette, irgendein Loser hier in der Schule hat gesehen, dass du mit Ben zusammen warst, und findet es jetzt komisch, dir eins auszuwischen.«
»Vielleicht«, sage ich. »Deswegen will ich ja noch ein bisschen warten - vielleicht kann ich’s ja selbst rauskriegen, ohne so eine große Sache daraus zu machen.«
»Die letzten Worte des Opfers«, spottet Wes.
»Von wegen Opfer...«, sagt Kimmie, die vielleicht auch mein Bedürfnis spürt, das Thema zu wechseln. »Meine Mom ist echt ein Opfer. Ihr hättet sehen sollen, wie mein Dad gestern Abend Nates Babysitter angegafft hat. Zugegeben, das Mädel hatte einen
Weitere Kostenlose Bücher