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Toedliches Geheimnis

Titel: Toedliches Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurie Faria Stolarz
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spüre Dinge«, erklärt er, »wenn ich Leute berühre.
Manchmal sehe ich auch etwas. Darum bin ich damals auf dem Parkplatz auch gleich abgehauen, nachdem ich wusste, dass mit dir alles okay ist. Ich wollte mich nicht mit dem auseinandersetzen, was ich da gespürt habe. Ich wollte so tun, als wäre es nie geschehen - als hätte ich dich nie gesehen.«
    »Willst du mir damit sagen, dass du so eine Art Hellseher bist?«
    »Überleg doch mal«, sagt er und ignoriert meine Frage. »Warum, glaubst du, habe ich dich in der letzten Zeit so oft berührt? Ich musste mir Gewissheit verschaffen.«
    »Worüber?«
    »Dass dein Leben in Gefahr ist«, erinnert er mich.
    Ich hole tief Luft. Mir schwirrt der Kopf vor lauter Fragen.
    »An dem Tag mit Julie habe ich auch etwas gespürt«, fährt er fort. »Allerdings nicht Gefahr. Ich habe gespürt, dass sie gelogen hat. Als ich sie berührt habe, habe ich vor mir gesehen, wie sie sich mit einem anderen trifft, wie sie mich am selben Tag betrogen hat. Ich habe sie danach gefragt, und sie hat mir alles gestanden. Aber ich wollte es dabei nicht bewenden lassen. Ich musste wissen, mit wem und seit wann schon. Und deswegen habe ich sie fester gepackt, damit das Bild klarer wurde. Und konnte meinen besten Freund sehen. Ich konnte die beiden zusammen sehen - wie sie am Strand lagen und sich küssten...« Er holt tief Luft und lässt sie langsam entweichen. »Was auch immer die anderen sagen, ich wollte ihr nie wehtun. Das Schlimme ist, ich habe sie zu fest gepackt, und das hat ihr Angst gemacht.«

    »Und deswegen ist sie zurückgewichen«, sage ich und setze die Puzzleteile zusammen.
    »Man nennt das Psychometrie«, erklärt er. »Die Fähigkeit, Dinge durch Berührung zu erspüren. Menschen, die diese Fähigkeit haben, üben sie ganz unterschiedlich aus. Manche legen sich einen Gegenstand auf die Stirn und sehen dann ein Bild, andere hören Geräusche oder nehmen Gerüche wahr, wenn sie etwas berühren. Bei mir ist da nur eine hauchdünne Grenze, ob ich die Leute berühre oder ob ich ihnen wehtue - und die darf ich keinesfalls überschreiten.« Er schluckt heftig und blickt auf seine Hände hinab.
    »Wenn ich erst einmal an den Punkt komme und zu nah dran bin«, fährt er fort, »dann schaltet etwas in mir um, und ich verliere die Kontrolle. Ich verliere sogar die Fähigkeit, klar zu denken. Es ist, als wäre mein Körper da, aber nicht mein Geist.«
    »Und was tust du dagegen?«, frage ich.
    »Ich versuche, mit Meditation und Taekwondo dagegen anzugehen - Dingen, die mir helfen, im Hier und Jetzt zu bleiben -, aber es ist nicht einfach. Und unheimlich. Deswegen halte ich mich auch von allen fern. Deswegen war ich auch so distanziert dir gegenüber. Nach dem, was mit Julie passiert war, wollte ich nichts mehr über das Schicksal einer anderen Person oder ihre Geheimnisse erfahren.«
    »Und du wolltest von jetzt an ein Leben führen, in dem du nie mehr andere Menschen berührst.«
    »Bis vor ein paar Monaten hat es für mich ganz gut funktioniert.«

    »Bis du mich berührt hast.«
    Er nickt und knirscht mit den Zähnen. Die Kanten in seinem Gesicht werden ganz scharf. »Zuerst wollte ich das, was ich da gefühlt habe, einfach ignorieren, aber das ließ mein Gewissen nicht zu. Ich meine, was wäre, wenn dir etwas Schlimmes zustoßen würde, weil ich nicht versucht habe, es zu verhindern?«
    »Ich schätze mal, das erklärt eine ganze Menge«, sage ich und denke daran, dass er immer zu spät zum Unterricht kommt - um zu vermeiden, im Flur mit anderen zusammenzustoßen. Und dass er beim ersten Mal, als ich ihn gefragt habe, gar nicht zugeben wollte, dass er mich überhaupt schon einmal gesehen hatte. »Und was hat das alles für mich zu bedeuten?«, frage ich. »Du berührst mich und spürst etwas?«
    Er nickt und schiebt sich die Sonnenbrille auf den Kopf zurück, sodass ich seine Augen sehen kann, die ganz rot und geschwollen sind. »Deswegen weiß ich, dass du in Gefahr bist.«
    »Und was soll angeblich passieren?«
    Er starrt mich eine Weile an und sagt nichts, so als wollte er sich die Linien meines Gesichts einprägen.
    »Sag’s mir einfach«, dränge ich, weil ich sein Zögern spüre.
    »Ich kann deine Leiche sehen«, flüstert er schließlich.
    »Meine Leiche?«
    Er nickt, und mir krampft sich der Magen zusammen, als müsste ich mich gleich übergeben.
    »Zuerst war ich mir nicht sicher«, sagt er. »Es war nur
so ein Gefühl. Aber dann, bei unserem Picknick, als du mich geküsst

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