Toedliches Geheimnis
Augenblick später klingelt das Telefon und schreckt mich aus meinen Gedanken. Ich starre es an und ringe mit mir, ob ich drangehen soll oder nicht - ob derjenige, der mir das Geschenk hingelegt hat, weiß, dass ich alleine bin.
Es klingelt viermal. Fünfmal.
Schließlich nehme ich ab, doch ich höre nur das Freizeichen, bevor ich überhaupt etwas sagen kann. Ich hole tief Luft, um damit den Knoten in meiner Brust wegzuatmen, und wünschte, ich hätte Kimmies Angebot, mit reinzukommen, angenommen.
Anstatt das Telefon wieder auszuschalten, lasse ich es an und gehe nach unten in den Keller, wo ich in einer Ecke eine Töpferwerkstatt habe, samt Tisch, Modellierwerkzeugen und Drehscheibe. Ich nehme den Verschluss von einem Beutel mit Ton, schneide mir eine schöne, dicke Scheibe ab und klatsche sie dann auf meine Arbeitsplatte. Der Ton ist glatt und feucht unter meinen Fingerspitzen. Ich rolle ihn zwischen meinen Handflächen aus und widerstehe dem Drang, mir zu viel zu überlegen oder irgendetwas zu planen. Stattdessen nehme ich die Beschaffenheit
des Tons wahr und beobachte, wie er sich unter meinen Händen verformt.
»Was will diese Skulptur werden?«, frage ich und nehme mir Spencers Worte zu Herzen, dass ich mich zur Abwechslung einmal von der Arbeit leiten lassen soll.
Während der folgenden Stunde knete, drücke und ziehe ich nun an meinem Ton herum, aber irgendwie habe ich am Ende nicht mehr vorzuweisen als ein lang gestrecktes Stück mit Griffen an beiden Seiten, das so aussieht wie ein Springseil. Viel weniger Puls ist ja wohl kaum möglich.
Ich will es gerade zusammenrollen, wieder zu einem Ball zusammenkneten und von Neuem anfangen, als ich etwas höre - ein Poltern ertönt von oben.
»Dad?«, rufe ich.
Aber er gibt keine Antwort.
Ich fahre mit meiner Arbeit fort und schreibe das Geräusch einer zuknallenden Autotür oder einem vorbeifahrenden Laster draußen zu. Aber dann höre ich es wieder. Diesmal noch lauter.
Langsam gehe ich ins Treppenhaus und bemerke mit einem Blick aus den Kellerfenstern, wie dunkel es draußen bereits ist. Ich schaue auf die Uhr. Es ist bald acht.
Wo steckt nur mein Dad? Und warum ist Mom noch nicht zu Hause?
Das Poltern geht weiter, während ich langsam nach oben gehe und das Licht in der Küche einschalte. Aber dann hört der Lärm plötzlich auf.
»Dad?«, rufe ich noch einmal und überlege, ob er vielleicht die Hausschlüssel vergessen hat. Ich gehe ins
Wohnzimmer, um dort aus dem Fenster zu sehen, aber die Einfahrt ist noch immer leer. Noch immer keiner zu Hause.
Mein Puls rast, als ich mich der Tür nähere. Ich schaue durch den Spion, aber draußen steht niemand. Ich rede mir ein, dass es jemand war, der etwas an der Tür verkaufen wollte, und dass derjenige schon weitergegangen ist.
Einen Augenblick später höre ich von der anderen Seite des Flures ein klackerndes Geräusch.
Ich hole tief Luft und wünsche mir, wir hätten eine Alarmanlage, dann greife ich nach dem Telefon, um meinen Vater auf dem Handy anzurufen - aber ich bekomme kein Freizeichen. Und mein Handy liegt blöderweise in meinem Zimmer.
Das Klackern hört nicht auf und endet schließlich mit einem lauten Scheppern, wie von zerberstendem Glas.
Versucht da jemand einzubrechen?
Meine Hände zittern, ich schnappe mir einen Schirm aus dem Ständer neben der Tür und halte ihn fest umklammert. Ich schleiche den Flur entlang und überlege, ob ich nicht lieber zu den Nachbarn fliehen sollte, aber ich habe Angst, nach draußen zu gehen.
Im nächsten Augenblick höre ich ein Geräusch an der Haustür. Ich gehe zurück und sehe, wie der Türgriff wackelt. Die Gittertür wird geöffnet und es klingelt.
Mir klopft das Herz wie wild in der Brust. Ich linse durch den Spion und breche vor Erleichterung fast zusammen, als ich sehe, wer draußen steht.
Ich entriegele die Tür und reiße sie auf. Da steht Kimmie mit einem Teller voller Brownies in der Hand.
»Was glaubst du eigentlich, was du da tust?«, platze ich heraus und ziehe sie ins Haus.
»Nein, die Frage ist, was du eigentlich tust! Ich hab dich auf dem Handy angerufen - keine Antwort. Ich hab bei euch zu Hause angerufen - belegt.«
»Ich hab das Telefon nicht aufgelegt«, sage ich.
»Genau«, meint sie beleidigt und hält mir den Teller mit Brownies unter die Nase. »Das haben sie bei der Störungsstelle auch gesagt.«
»Du hast die Störungsstelle angerufen?«
»Na ja. Mir kam das Ganze irgendwie nicht geheuer vor, schließlich klopft es
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