Toedliches Geheimnis
aufs Wohnzimmersofa. »Das war das Stärkste, was ich finden konnte.«
»Du weißt doch, meine Mom legt Wert auf einen chemiefreien Haushalt.«
»Stimmt.« Sie kramt in ihrem satingefütterten Handtäschchen nach einem Block und einem Stift. »Also, ich finde wirklich, dass wir es jetzt deinen Eltern erzählen sollten.«
Ich nicke und schaue auf den Wohnzimmertisch, wo das alte Familienfotoalbum meiner Mom noch immer beim Foto von ihr und Tante Alexia aufgeschlagen liegt. Sie sind zwölf und sieben und haben sich mit Zuckerstangen in der Hand vor dem Weihnachtsbaum postiert.
Auf Tante Alexias Gesicht liegt ein breites Lächeln, und daher weiß ich, dass meine Großmutter nicht diejenige war, die dieses Foto gemacht hat. Dafür sieht Tante Alexia viel zu glücklich aus.
Ich klappe das Album zu und denke daran, als Tante Alexia das letzte Mal in einer psychiatrischen Klinik war
und wie das meine Mutter für zwei Wochen in eine tiefe Depression gestürzt hatte - zwei Wochen, in denen sie kaum aus dem Bett aufstand und man sie daran erinnern musste, etwas zu essen, zu schlafen und sich zu waschen.
»Ich möchte meine Eltern damit eigentlich im Moment noch nicht belasten«, sage ich schließlich.
»Und du glaubst, dass dein vorzeitiger Tod sie nicht belasten würde?«
»Gib mir einfach noch ein paar Tage«, beharre ich. »Ich will versuchen, alleine herauszufinden, was da los ist.««
»Na ja, alleine bist du jedenfalls nicht.« Sie setzt ihre Schmetterlingsbrille auf und schaut mich über den Rand hinweg an. »Also, lass uns noch mal zusammenfassen. Was wissen wir sicher?«
»Ich werde verfolgt.«
»Richtig«, sagt sie und notiert es.
»Jemand beobachtet mich und kommt dabei immer näher.«
»Hast du eine Ahnung, wer dieser Jemand sein könnte?«
»Also, ich nehme mal an, dass es ein Typ ist.«
»Regel Nummer eins«, sagt sie und schlägt die Beine an den mit einem unechten Tattoo geschmückten Knöcheln übereinander. »Man darf nie etwas nur annehmen.«
»Aber du weißt doch, der Anrufer hatte eine männliche Stimme.«
»Ach was, männlich. Sieh dir doch Wes an. Er kann seine Stimme auf Knopfdruck verändern - und nicht nur
männliche Stimmen nachmachen. Er ist ein Chancengleichheits-Imitator.«
»Glaubst du immer noch, dass es Wes ist?«
»Ich will nur sagen, dass wir keinen ausschließen können. Hast du denn noch nie von Stimmverzerrern gehört? Damit kann man jede weibliche Stimme männlich klingen lassen und umgekehrt.«
»Aber er hat gesagt, ich sei hübsch.«
»Du bist ja auch hübsch, was willst du daraus schließen?«
Ich zucke mit den Schultern und schaue zum großen Wohnzimmerfenster hinüber. Am liebsten würde ich das Rollo herunterziehen.
»Wir sollten auch diese ganze Verschwörungstheorie nicht außer Acht lassen«, fährt sie fort.
»Du hältst es für möglich, dass es mehr als eine Person sein könnten?«
»Regel Nummer zwei: Alles ist möglich. Was mich zur nächsten Frage bringt: Was hat Ben heute zu dir gesagt?«
»Dass er meine Leiche gesehen hat.«
»Das ist doch nicht normal.«
»Ich kann es erklären.«
»Okay, hier kommt Regel Nummer drei«, sagt sie leicht genervt. »Hör auf, Ben ständig in Schutz zu nehmen.«
»Ich nehme ihn nicht in Schutz«, sage ich. »Er hat psychometrische Fähigkeiten.«
»Ich weiß. Total durchgeknallt, der Typ, was?«
»Nein, nicht psychotisch, psychometrisch. Er kann durch Berührung Dinge erspüren.«
»Wie bitte?«
Ich hole tief Luft und erkläre ihr die ganze Geschichte - alles, was er mir erzählt hat und was ich online in Erfahrung gebracht habe.
»Also, damit ich das auch richtig kapiere«, sagt sie und nimmt einen Schluck von meinem Tee. »Der Typ berührt Sachen und kann dann die Zukunft spüren?«
»Manchmal die Zukunft und manchmal auch die Vergangenheit. Manchmal sieht er ein Bild, und manchmal ist es nur ein Gefühl.«
»Wie eine Kristallkugel«, sagt sie.
»Nur ohne die Kugel.«
»Okay, Kugel hin oder her, wie krieg ich es hin, dass er mich berührt? Ich muss wissen, ob John Kenneally mich zu einem Date einlädt.«
»Er mag es nicht, andere zu berühren«, stelle ich klar.
»Außer dich«, grinst sie.
»Außer mich«, flüstere ich und schlucke.
»Oh mein Gott, weißt du, wie heiß das ist?« Sie fächelt sich mit ihrem Block Luft zu. »Ich meine, selbst wenn es der totale Scheiß ist.«
»Du glaubst ihm nicht?«
»Pah«, sagt sie und fächelt weiter. »Er sucht doch of fensichtlich nur eine
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