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Toedliches Geheimnis

Titel: Toedliches Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurie Faria Stolarz
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je ein Gefühl für den Augenblick. Ich muss diese Straße wohl schon Millionen Male gefahren sein, doch noch nie habe ich den Rausch der Farben so wahrgenommen - wie die Neonlichter das Pflaster in breiten Streifen von Rot, Gold und Blau erleuchten.
    Als wir an eine rote Ampel kommen, schaut Ben kurz zu mir. Später dreht er sich um und lächelt mir zu. Mittlerweile habe ich keine Ahnung mehr, wohin er mit mir fährt. Ich weiß nur, dass die kühle, salzige Luft, die an den Enden meiner Haare zerrt, mehr als berauschend ist.

    Ich lehne den Kopf gegen seinen Rücken und atme seinen süßlichen Geruch ein, versuche meine Nerven zu beruhigen - mir einzureden, dass alles okay ist, dass wir draußen sind, dass uns die Leute sehen können und dass mein Handy geladen ist und in meiner Tasche steckt, falls ich es brauche.
    Dennoch. So etwas habe ich noch nie getan. Ich bin noch nie so durchs Fenster abgehauen, ohne meinen Eltern zu sagen, wohin ich gehe, und ich habe auch noch nie so aus dem Bauch heraus gehandelt, ohne einen festen Plan zu haben.
    Nach ungefähr fünfzehn Minuten hält Ben vor Jet Lag an, einem 24-Stunden-Restaurant, das dafür bekannt ist, dass man dort nachts frühstücken und morgens zu Abend essen kann. Er streckt die Hand aus, um mir beim Absitzen zu helfen, doch dann zieht er sie zurück, als wäre die kleinste Berührung meiner Haut zu intensiv für ihn.
    »Sorry«, sagt er.
    Ich nicke, voller Fragen, doch noch bevor ich auch nur eine davon stellen kann, tritt er einen Schritt zur Seite, um die Tür zum Restaurant für mich zu öffnen.
    Der Laden ist so gut wie ausgestorben - nur ein einsames Paar ganz hinten in der Ecke. Wir setzen uns in die gegenüberliegende Ecke und ziehen die Speisekarten zwischen den Salz- und Pfefferstreuern hervor.
    Kurz darauf kommt eine Kellnerin und knallt zwei Becher auf die kunststoffbeschichtete Tischplatte. »Kaffee?«, fragt sie und hält eine Kanne in die Höhe.
    Wir nicken, und sie füllt die Becher und murmelt dabei
etwas von wegen, wir sähen so aus, als könnten wir es brauchen.
    Ich bestelle dann noch eine Portion French Toast mit Zimt, obwohl ich alles andere als hungrig bin.
    »Und für Sie?«, fragt die Kellnerin Ben.
    »Das Gleiche«, sagt er, ohne die Speisekarte zu beachten, denn es ist offensichtlich, dass wir einfach nur unsere Ruhe haben wollen.
    »Du hast eben etwas gespürt, nicht wahr?«, frage ich, sobald sie weg ist.
    Ben kippt Zucker in seinen Becher und rührt um. »Ich spüre immer etwas bei dir.«
    »Und was war es? Warum hast du die Hand zurückgezogen?«
    »Zuerst musst du mir eine Frage beantworten«, sagt er und schaut mich direkt an. Auf seiner Stirn steht ein Hauch von Schweiß. »Was ist heute Abend passiert?«
    Mir klappt vor Überraschung der Unterkiefer runter. »Wieso glaubst du, dass etwas passiert ist?«
    »Sag’s mir«, drängt er.
    Ich überlege, woher er es wissen kann, ob meine Bereitwilligkeit, einfach so abzuhauen, mich verraten hat oder irgendetwas anderes.
    »Kannst du es nicht mir sagen?«, frage ich. »Ich meine, wenn du wirklich Dinge spüren kannst, wie du gesagt hast.«
    »Soll das ein Test sein?«
    »Vielleicht.«
    Ben streckt die Hand über den Tisch und legt sie auf meine. Er umfasst meine Finger und holt tief Luft, was
mir ein Kribbeln den Rücken entlanglaufen lässt. »Hat dir jemand etwas gegeben?«, fragt er schließlich.
    »Etwas... was denn zum Beispiel?«
    »Ich kann zerbrochenes Glas sehen«, flüstert er und drückt meine Hand noch fester, »und rotes Gekritzel - eine Art Schrift. Hast du einen Brief bekommen oder eine Nachricht?«
    Ich spüre, wie meine Lippen zittern. Ich weiß nicht, ob ich ihm alles erzählen soll. Ich bin noch immer misstrauisch. Ich meine, wenn er derjenige ist, der das alles getan hat, dann wüsste er ja auch genau, was heute Abend geschehen ist und was da geschrieben stand.
    »Du musst mir vertrauen«, sagt er, als könnte er meine Gedanken lesen.
    Eine Sekunde später schließt er die Augen und packt meine Hand noch fester - so fest, dass ich sie zurückziehen muss.
    »Alles in Ordnung?«, fragt er mit weit aufgerissen Augen, so als wäre er über sich selbst erschrocken.
    Bevor ich ihm antworten kann, kommt die Kellnerin mit unseren Tellern - dicke Scheiben und Kännchen voller Sirup dazu.
    »Tut mir leid«, sagt er und meint meine Hand. »Manchmal fällt es mir schwer, mich zurückzuhalten.«
    Ich nicke und denke an Julie - und dass er sich bei ihr angeblich auch nicht

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