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Toedliches Konto

Toedliches Konto

Titel: Toedliches Konto Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hirsch
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verabschiedete sich von Fritz mit den besten Wünschen für die Zukunft. Den üblichen Spruch, er solle doch bald mal wieder vorbei kommen, verkniff sie sich. Um auf andere Gedanken zu kommen, schaltete sie zu Hause den Fernseher ein. Es ging um einen Doppelmord. Sie schlief dabei ein.

17

    Jim hatte kurz entschlossen noch ein bis zwei weitere freie Tage in der Redaktion angemeldet, allerdings mit dem Vorbehalt, dass sie doch noch als Dienstzeit anerkannt würden, falls eine tolle Geschichte dabei heraus käme. Er konnte einen Flug nach Split für den frühen Nachmittag buchen, von wo aus er mit einem Mietwagen zu der Redaktion nach Sibenik fahren wollte, in deren Archiv er sich schon angekündigt hatte.
    Der strahlend blaue Himmel in Split und die angenehme Temperatur von 25 Grad hätte Urlaubsstimmung aufkommen lassen müssen. Aber Jim war vom Jagdfieber ergriffen. Er fuhr viel zu schnell nach Sibenik, und das Navi führte ihn direkt zur Lokalzeitung. Im Archiv wurde er freundlich empfangen. Er war der erste Kollege aus Deutschland, der hier auftauchte. Das Archiv war zwar inzwischen auch auf Computer umgestellt, aber die alten Ausgaben lagen noch in Papierform vor. Jim war sich bewusst, dass er zum Übersetzen Hilfe in Anspruch nehmen musste. Und das sprichwörtliche Glück, das ihm schon oft hold war, stand ihm auch heute zur Seite. Und zwar in Person einer älteren und etwas streng riechenden Archivmitarbeiterin.
    Mit den Angaben, die Jim sowieso sch on hatte, waren schnell die Artikel gefunden, die sich vor acht Jahren mit der Ermordung von Kati Brandić beschäftigten. Es waren die Aufmacher auf Seite 1. Jim ließ sich alles übersetzen und notierte vor allem Kontaktpersonen, die er noch nach den Beziehungen von Kati zu Aumüller und Bartol fragen konnte.
    Kati hatte damals in der Nachtbar Moulin Rouge gearbeitet, wobei sich ihre Tätigkeit nicht nur auf das Servieren von Getränken beschränkte. Ihre horizontalen Zusatzleistungen erbrachte sie aber - wie die Polizei betonte - nicht im Rahmen ihrer Bar-Tätigkeit, sondern rein privat. Der Mörder, der nie gefasst wurde, schien bei dieser Nebentätigkeit ihrem jungen Leben ein Ende bereitet zu haben. Sie wurde in ihrer Wohnung nackt auf ihrem Bett aufgefunden, mit bloßen Händen erwürgt.
    Es ging inzwischen schon auf acht Uhr zu, und Jim entschied, sich zunächst in einem Altstadthotel, das nicht so weit von dieser Nachtbar entfernt lag, ein Zimmer zu nehmen. Erst jetzt kam Jim dazu, den Reiz der Altstadt mit den engen kleinen Gässchen wahrzunehmen. Das Zimmer war eher klein und schien den Winter über nicht gelüftet worden zu sein. Aber Jim hatte einen Ansatzpunkt, um nach Kati zu fragen. Langsam kam frische Luft durch das weit geöffnete, allerdings recht kleine Fenster, und Jim bemerkte das Salz in der Luft, das nach Meer roch. Vielleicht kann er ja morgen früh zum Hafen hinunter gehen, doch jetzt zog es ihn in die Bar.
    Eine junge Bedienung kam strahlend auf ihn zu. Er war der einzige Gast und sie die einzige Bedienung. Sie war zweifelsohne sehr hübsch, auch wenn ihr Gesichtsausdruck etwas dümmlich erschien. Ihre Dienstkleidung bestand aus einer Art ärmellosem Body mit einem ultrakurzen Rock. Der Designer hatte sehr am Stoff gespart. Wahrscheinlich wurde er für das Weglassen von Stoff und nicht für dessen Gestaltung bezahlt.
    “Hi, where are you from?”
    “From Germany.”
    “Das ist ja cool. Ich bin Nina. Was möchtest du denn mit mir trinken. Du bist süß. Vielleicht einen Dalmatic Cocktail? Das ist eine besondere Spezialität.”
    “Lieber ein Bier.”
    “Spendierst du mir einen Cocktail?”
    Jim ahnte, was das kosten würde, aber er durfte hier nicht unangenehm auffallen und akzeptierte. Während Nina hinter der Theke verschwand, schaute sich Jim in der Bar um. Das Licht war rötlich-schummrig, die kleinen runden Tische mit einer Kunststoffplatte sahen billig aus und waren wahrscheinlich alle so klebrig wie bei ihm. Die Sessel und Bänke waren mit rotem Kunstleder überzogen, das mehr oder weniger kaputt war. Man ging in eine solche Bar sicher auch nicht wegen des anheimelnden Interieurs.
    Nina kam mit den Getränken und setzte sich zu Jim an den Tisch. Wenigstens sah sie nicht so klebrig aus wie der Tisch. Sie setzte sich so, dass ihr kurzer Minirock Perspektiven freigab, die für dieses Stadium des Abends schon viel zu weit gingen. Aber wahrscheinlich hatte sie von der Dramaturgie eines aufsteigenden Spannungsbogens noch nichts

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