Toedliches Konto
gehört. Das war der Bogen, der auch in Jims Pressetexten fehlte, nur dass dort weder am Anfang noch am Ende Spannung aufblitzte. Bei Nina blitzte es wenigstens gleich.
“Was führt dich hierher? Wie heißt du eigentlich? Prost.”
“Prost. Ich bin Jim und komme aus München. Weißt du, Oktoberfest. Ich bin Journalist von Zeitung.”
“Das ist ja cool. Und schreibst du über Sibenik?”
“Ich recherchiere über einen Mord in München, eigentlich zwei Morde. Und dabei ist ein Mord in Sibenik aufgetaucht.”
“Was hier? Da habe ich gar nichts davon gehört.”
“Der liegt auch schon acht Jahre zurück.”
“Das interessiert doch jetzt niemanden mehr.”
“Doch, mich. Und die ermordete Frau hatte hier gearbeitet. In dieser Bar. Vielleicht kanntest du sie und kannst mir was über sie erzählen.”
“Ich bin ja erst zwei Jahre hier. Niemand von uns war damals in der Bar.”
Jim fragte nach dem Chef, der müsste es doch wissen. Aber Nina erklärte, dass der Chef im Ausland lebte und es hier nur eine Geschäftsführerin gäbe, aber noch nicht so lange.
“Nun gut”, meinte Jim, “ich habe noch die Namen der Eltern und einer Freundin, die werde ich morgen besuchen.”
“Dann trink doch noch etwas, und wenn du willst, kannst du nach Mitternacht mit zu mir kommen, falls keine Gäste mehr da sind.”
Gerade in diesem Moment kam ein Pärchen herein, italienisch sprechend. Das kam Jim entgegen. Er zahlte schnell und für seine Begriffe zu viel - 20 Euro für das Bier und den Cocktail -, aber er versprach, vor Mitternacht wieder zu kommen.
Er war frustriert und schlenderte durch die inzwischen dunklen Gassen. Vor einem kleinen Lokal studierte er die Speisekarte, die ihm recht günstig erschien, und ging kurz entschlossen hinein. Es war eine gemütliche Kneipe, und das Bier kostete nur 2,60 Euro. Auf der Stelle fühlte sich Jim hier gut aufgehoben, auch wenn die Bedienung nicht so aufreizend war wie Nina. Aber er wollte hier ja auch nur essen. Und trinken. Bevor das üppige Essen - ein Grillteller für 9,50 Euro - kam, war er schon beim dritten Bier. Als er ging, waren es fünf.
Jim fühlte sich sehr zufrieden und sehr müde. Es war erst kurz vor elf, und er verspürte nicht die geringste Lust, bis Mitternacht auf Nina zu warten. Er steuerte sein Hotel an und fiel sofort in tiefsten Schlaf. Nina hatte sowieso nicht mit ihm gerechnet. In diesem Beruf bekommt man eine gute Menschenkenntnis.
Die Dame im Zeitungsarchiv hatte für Jim die Telefonnummern von Katis Eltern und Freundin herausgesucht. Jim ärgerte sich jetzt am Morgen, dass sie auch nicht für ihn angerufen hatte, weil die vielleicht kein Deutsch oder Englisch sprechen würden. Doch die Angst war unberechtigt. Die Mutter vermietete zwei Privatzimmer, und die Freundin hatte ein Zeitungs- und Andenkengeschäft, und beide sprachen etwas Deutsch. Was bei den Gesprächen herauskam, passte zwar ins Bild, brachte aber keine wirklich neuen Erkenntnisse. Da war zu wenig drin für eine gute Zeitungsstory.
Die Mutter von Kati - inzwischen zum dritten Mal geschieden - hatte keine Probleme mit dem zugegeben nicht ganz sittsamen Lebenswandel ihrer Tochter. Der Schmerz über ihre Ermordung war der Mutter nicht mehr anzumerken. Sie war wohl ganz erfolgreich im Ertränken ihrer Erinnerung. Jedenfalls schien sie schon zum Frühstück dem Schnaps zuzusprechen. Es war wahrscheinlich derselbe selbst gebrannte Slibowitz, den sie auch Jim anbot. Er hatte kein Problem, das Angebot sofort anzunehmen, und wenn sie ihm noch mehr angeboten hätte, wären es auch mehr als vier geworden. Immerhin so halbe Zahnputzgläser voll.
Kati hatte damals in dieser Bar gearbeitet, die Jim ja bereits kannte. Der Besitzer der Bar war ein Russe, der aber selten hier auftauchte. Er war mit einem Deutschen befreundet, der inzwischen eine Villa auf einer nahen Insel hätte. Den Namen hatte die Mutter zwar vergessen. Aber Jim musste sofort an Aumüller denken. Nun, dieser Deutsche hätte Kati einen Aufenthalt in München bei einem Bekannten vermittelt und gut dafür bezahlt. Sie glaubte, so 10.000 Euro.
Das deckte sich mit dem, was Jim ohnehin schon wusste. Die ehemalige Freundin von Kati war etwas besser informiert, weil sie sich täglich mit Kati über SMS ausgetauscht hatte. Für Jim ergab sich schnell ein klares Bild: Kati war tatsächlich von Aumüller angeheuert worden, um bei Bartol Unterschlupf zu finden, was ihr mit den vertrauten Mitteln ihrer Weiblichkeit sofort gelang. Ihr
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