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Toedliches Konto

Toedliches Konto

Titel: Toedliches Konto Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hirsch
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Oberfläche. Blabla. Die Tiefen des Lebens wurden nie aufgerührt. Die blieben unangetastet. So wie ihre persönlichen Geheimnisse. Von jedem. Eine verlogene Gemeinschaft. Der Pfarrer konnte sich selbst davon nicht ausnehmen.
    Aber man konnte sie immer noch ausnutzen. Max Hackelberger wollte genau erfahren, was da alles passiert war. Schon allein deshalb, um vor Vera Bock gut dazustehen. Er wollte schneller und besser sein als der Journalist, der für Vera recherchierte.
    Er wählte die Nummer von seinem Freund Theo in New York. Theo Kaiser gehörte ebenfalls zu den Petersburgern, auch wenn zu ihm am wenigsten Kontakt bestand. Das lag nicht nur an der Entfernung, sondern auch daran, dass Theo schon sehr früh seine sexuelle Veranlagung durch eine gutbürgerliche - oder besser gesagt: spießbürgerliche - Ehe zu verschleiern suchte. Auch beruflich lebte er davon, Dinge hinter einem hohen Wall zu schützen: Er hatte eine kleine Firma für Netzwerk-Sicherheit und baute möglichst hohe Barrieren gegen Hacker-Angriffe. Das freilich machte ihn selbst zu einem sehr versierten Fachmann auf dem Gebiet des Hackens, und auch gut gesicherte Netze waren vor ihm nicht sicher. Doch eigentlich war er ein sehr anständiger Kerl.
    Die Geschichte, die der Pfarrer seinem Freund am Telefon erzählte, war lang und ziemlich verworren. Und sie hatte einen traurigen Unterton. Beide, der Pfarrer und Theo, mussten erkennen, dass die Petersburger nie mehr das sein würden, was sie mal waren. Mindestens zwei von ihnen - von denen einer nicht mehr lebte - waren in illegale Geschäfte verstrickt. Das wussten eigentlich alle, doch indem man nie näher darüber gesprochen hatte, ließ sich das bequem ignorieren. Man wusste ja auch von dem Kokain, das Alfred ebenfalls über seinen russischen Freund Mikhail bezog. Aber das war ja schließlich nicht schlimm, dieses Zeug nahmen doch auch die meisten Künstler und Kreativen.
    Aber jetzt hingen plötzlich zwei Morde und ein Selbstmord an der Gemeinschaft der Petersburger. Ihre Welt war nicht mehr heil.
    Theo konnte sich nur verdammt schwer dazu durchringen, in den Mails von Alfred, Günther und Mikhail zu schnüffeln. In diese Mailkonten hineinzukommen war eine ganz leichte Übung. Aber es erforderte doch einige Zeit und Ruhe, und beides hatte Theo jetzt nicht. Er musste einen größeren Einsatz bei einem großen Kunden vorbereiten und würde morgen nach Chicago reisen. Frühestens in fünf Tagen könnte er sich der Petersburger Aufgabe widmen.
    Besser spät als gar nicht, dachte der Pfarrer.

19

    Vera hatte eine Weile vor ihrem Kleiderschrank gestanden, unschlüssig wie sonst selten, in welcher Aufmachung sie sich dem Pfarrer präsentieren sollte. Sie hatte ja zugestimmt, dass sie sich ab dem nächsten Besuch - also ab heute - duzen würden. Und die sexuelle Spannung, die Max schon beim letzten Mal ausgestrahlt hatte, würde wohl ihren Besuch begleiten. Bis zum bitteren Ende. Wieso eigentlich bitter? Sie könnte ja jeder Zeit aufstehen und tschüss sagen, wenn sie wollte. Aber reizte der Pfarrer sie nicht irgendwie? Hatte sie eigentlich nicht schon ja gesagt? Er war so naiv, so kindlich. Und obwohl er anscheinend schon sexuelle Erfahrungen hoch und runter hatte, wirkte er bei diesem Thema immer noch hilflos. Wie konnte dieser Mensch nur Pfarrer werden? Er war völlig fehl am Platz.
    Vera wählte eine knappe, aber nicht aufreizende Unterwäsche, eine weiße Bluse, die aber weitgehend zugeknöpft blieb und eine enge schwarze Jeans. Dazu eine dunkelrote Weste und ein freches Tuch.
    Es war um die Mittagszeit, als Vera an der Tür des Pfarrhauses klingelte.
    “Hallo Max”, sagte sie gleich, um deutlich zu machen, dass sie das Versprechen mit dem Duzen nicht vergessen hatte. “Es ist jetzt eigentlich zu Mittag eine unpassende Zeit für den Besuch. Aber du hattest ja selbst vorgeschlagen, dass wir uns jetzt gleich treffen sollten.”
    Der Pfarrer errötete leicht. Das Du hatte ihn jetzt doch überrumpelt. Und dann hatte er natürlich nicht daran gedacht, wenigstens einen kleinen Imbiss vorzubereiten. “Ich könnte uns ja eine Pizza kommen lassen oder uns ein paar Brote machen.”
    Vera lachte. Wenigstens hatte er den Wink mit dem Zaunpfahl verstanden. Er ist halt - dachte sie - in seiner unbeholfenen Art doch ganz liebenswert.
    “Wir können gerne erst mal reden. Danach können wir immer noch sehen.”
    Diese Zweideutigkeit war für Max ganz eindeutig. Für was sollte man jetzt noch viel reden? “Die

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