Tödliches Labyrinth
einnistete. Leah kam zu dem Schluss, dass dies die beste Vorgehensweise war. Die überzeugendsten Lügen waren immer noch die, die hinter Wahrheiten versteckt wurden. Abgesehen davon konnte ihr Haus
tatsächlich
eine umfassende Renovierung gebrauchen.
Da sie nicht gewusst hatte, wie sie ein beträchtliches Erbe erklären sollte, wenn sie doch angeblich aus einer relativ armen indianischen Familie stammte, war Leah mit großer Sorgfalt vorgegangen und hatte sich ein Haus gekauft, das ihren beruflichen finanziellen Verhältnissen entsprach. Daher lag ihr Eigentum in einem älteren, aber angesagten Stadtteil, der von besser gestellten Singles und Paaren ihrer Generation bevorzugt wurde.
Dennoch passte das Anwesen zu ihr, und es besaß einige Vorzüge, die man bei neueren Häusern vergeblich suchte, so zum Beispiel die großen Palmen im Innenhof, der im mediterranen Stil angelegt war.
Unbewusst seufzte Leah schwer. Trotz der Tatsache, dass sie durch den vorübergehenden Umzug ins Sand Castle wenigstens
irgendetwas
unternahm, um sich ihrem eigentlichen Ziel zu nähern, wurde sie das Gefühl nicht los, dies alles sei nicht real.
Sie hatte nicht zum ersten Mal das seltsame Gefühl, auf unerklärliche Weise in einen James-Bond-Film geraten zu sein – jedoch mit dem Unterschied, dass 007 bislang nicht zu ihrer Rettung geeilt war und alles richtete. Er würde es auch nicht machen. Stattdessen war sie gezwungen, auf eigene Faust Spionage zu betreiben, und das alles, ohne dass ein genialer Q sie angemessen ausrüsten konnte.
Es erschien ihr wie eine bittere Ironie, dass sie für MMI arbeitete – einen Konzern, der mit die besten elektronischen Geräte der Welt produzierte –, sie aber nicht einmal etwas von dem einsetzen konnte, was gegenwärtig entwickelt wurde. Die Sicherheitsmaßnahmen im Gebäude waren so lückenlos, dass selbst ein auf Technologiespionage spezialisierter Agent seine Schwierigkeiten haben würde, sich mit den vertraulichen Unterlagen des Unternehmens davonzumachen.
Trotzdem
musste
sie sich irgendeine Art von Ausrüstung zulegen, wenn sie etwas in Erfahrung bringen wollte, das ihr entscheidend weiterhalf.
Sie fragte sich, wo man wohl “Spionageausrüstung” herbekommen konnte. Sie würde ein leistungsfähiges Fernglas benötigen, eines von diesen Mikrofonen, mit denen man Geräusche sogar durch Beton hören konnte, dazu eine Videokamera und einen Kassettenrekorder.
Sie würde versuchen, im Internet nach diesen Dingen Ausschau zu halten. Natürlich nicht über den Computer auf ihrem Schreibtisch bei MMI. Dort konnte jeder, der in der Hierarchie über ihr stand, mit verfolgen, wo sie sich im Internet aufhielt. Nein, das würde sie am Abend von zu Hause aus erledigen.
“Leah?” Hawk Bladehunter stand an der Tür, die die beiden Büros miteinander verband, und betrachtete interessiert die Frau, die hinter dem ausladenden Schreibtisch saß.
Zum dritten Mal hatte er mittlerweile nach ihr gerufen, ohne dass sie von seiner Anwesenheit Notiz nahm. Auch wenn er sie noch nicht allzu lang kannte, wusste er, dass dies nicht ihre Art war. Bislang hatte er sie als überpünktlich, extrem intelligent, einsatzfreudig, tüchtig und sehr professionell kennen gelernt. Mit anderen Worten: Sie war die beste Assistentin, die je für ihn gearbeitet hatte.
Dass sie darüber hinaus auch noch blendend aussah und ihn sexuell anzog, konnte man als Vor- oder als Nachteil ansehen. Was es sein würde, musste er erst noch herausfinden, auch wenn er ehrlich sagen musste, dass er zur ersten Möglichkeit neigte.
“Leah?” fragte Hawk erneut – diesmal so laut, dass sie auf ihrem Bürostuhl vor Schreck hochfuhr, ehe sie sich hastig zu ihm umdrehte. “Tut mir Leid”, sagte er. “Ich wollte Sie nicht erschrecken.”
“Schon gut. Ich glaube, ich war … einen Moment lang in Gedanken versunken”, erwiderte sie und versuchte, ihre Fassung wiederzuerlangen, während sie sich fragte, ob ihr Chef wohl ihre Gedanken lesen konnte. Nein, das konnte er natürlich nicht. Was für eine lächerliche Idee! Und doch zeigte es ihr, wie kläglich sie die Rolle spielte, mit der sie das Ziel erreichen wollte, das sie zu MMI geführt hatte. “Was kann ich für Sie tun?"
“Es ist kurz nach zwölf, und ich dachte, wir könnten vielleicht zusammen etwas essen. Vorausgesetzt, Sie haben nicht schon etwas anderes vor. Wenn sich die neuen Mitarbeiter in meiner Abteilung eingelebt haben, unterhalte ich mich gerne mit ihnen, um zu sehen, wie sie
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