Tödliches Labyrinth
die sie begangen hatten.
Und wie soll ich das anstellen, wunderte sich Leah zum wiederholten Mal. Das war die alles entscheidende Frage.
In den letzten Wochen hatte sie sich so beiläufig wie möglich in jedem Stockwerk des MMI-Wolkenkratzers umgesehen. Aus den Informationen in Roland Marlowes Aktenkoffer wusste sie, dass ihr Großvater in einem Penthouse im MMI-Gebäude gelebt hatte. Aber das war Jahre her, und inzwischen war die Konzernspitze in diesen Neubau umgezogen, in dem sie selbst arbeitete.
Falls Merritt Marlowe nicht tot war – bislang hatte Leah keinen glaubwürdigen Beweis finden können, dass er noch lebte –, dann war sein Zuhause auf jeden Fall nicht mehr das Apartment, dem man damals den Spitznamen “Pentagon” gegeben hatte. Soweit sie herausgefunden hatte, waren die obersten Etagen in diesem neu errichteten Komplex den Büros der Mitglieder des Aufsichtsrats vorbehalten. Ferner gab es dort noch eine Reihe von Konferenzräumen und einen Speisesaal für die Führungsebene. Ein Apartment schien es dort oben jedenfalls nicht zu geben.
Wenn sie denjenigen Glauben schenkte, die von sich behaupteten, zu den Kennern des Unternehmens zu gehören, dann war ihr Großvater in das Penthouse im Sand Castle Hotel gezogen. Bislang war es Leah aber nicht möglich gewesen, dafür eine Bestätigung zu erhalten. Sie konnte keinen plausiblen Grund finden, warum sie die obersten Etagen des Hotels aufsuchte, falls sie dort jemand ertappen würde.
Es gab ganz entschieden nichts Geschäftliches, was sie dorthin führen konnte. Ihr lag auch nicht daran, den Eindruck zu erwecken, im Hotel jemanden treffen zu wollen. Für ihren Job hätte sie sich damit keinen Gefallen getan. Sie war sogar ziemlich sicher, dass dies unwiderruflich ihre Entlassung nach sich ziehen würde. Denn neben der Warnung, Hawk Bladehunter stelle die höchsten Erwartungen an seine Mitarbeiter, hatte der Personalleiter ausdrücklich betont, MMI lege größten Wert darauf, dass die Angestellten nicht den Verlockungen des Kasinos erlagen.
“Natürlich steht es MMI nicht zu, sich in das Privatleben seiner Angestellten einzumischen, Ms. Tallcloud”, hatte er erklärt. “Wir haben selbstverständlich nichts dagegen einzuwenden, wenn Sie in Ihrer Freizeit die Angebote des Sand Castle nutzen. Ich hoffe aber, Sie verstehen, dass wir während der Bürozeiten von unseren Mitarbeitern ein gewisses Maß an Seriosität erwarten. Niemand wird Ihnen kündigen, weil Sie gelegentlich in der Mittagspause einen Quarter in einen der einarmigen Banditen werfen. Aber wir bei MMI halten es für das Beste, wenn sich ein derartiges Verhalten
nicht
zu einer Gewohnheit entwickelt.”
“Ja, das verstehe ich gut”, hatte Leah wahrheitsgemäß geantwortet, da ihr sofort klar geworden war, welche Verlockungen das Sand Castle auf die MMI-Angestellten haben musste. Immerhin bot sich nicht nur die Gelegenheit, in den Pausen dem Alkohol und dem Glücksspiel zuzusprechen, das angeschlossene Hotel machte es auch möglich, sich mit einem Kollegen zu einem heimlichen Rendezvous zurückzuziehen.
Gleichzeitig war sie sich aber schon da sicher gewesen, dass bei solchen Vorfällen der Manager des Hotels oder des Kasinos umgehend die jeweiligen Vorgesetzten bei MMI in Kenntnis setzen würde. Die Ausführungen des Personalleiters hatten nur ihre Vermutung bestätigt.
Das Einzige, was sie hätte machen können, war, ganz offiziell mindestens für eine Woche eine Hotelsuite im Sand Castle zu mieten. Sie könnte vorgeben, dass ihr Haus renoviert wurde und sie nirgendwo anders unterkommen konnte.
Leah dachte wieder darüber nach und fand, es sei wirklich keine so schlechte Idee. Auf diese Weise würde sie sich zumindest im Hotel umsehen und herausfinden können, ob überhaupt die Möglichkeit bestand, dass ihr Großvater dort untergebracht war.
Es war nicht so, dass sie sich eine Woche in einer Suite des Sand Castle nicht hätte leisten können. Durch das Geld, das ihre Eltern über die Jahre hinweg für sie angelegt hatten, und durch ihr eigenes Einkommen sowie einträgliche Spekulationen war sie finanziell gut abgesichert. Von ihrem Haus und dem Wagen abgesehen, hatte sie seit dem College keine größeren Anschaffungen getätigt. Schließlich war nie absehbar gewesen, welche Ausgaben noch anfielen, um ihr Ziel zu erreichen.
Damit blieb nur die Frage, ob es ihr helfen würde,
wirklich
einen Malerbetrieb zu beauftragen, damit ihr Haus renoviert wurde, während sie sich im Hotel
Weitere Kostenlose Bücher