Tödliches Lachen
ergaben, musste sie ihrem Mörder auf diesem kurzen Weg begegnet sein. In den Morgenstunden des 8. Februar, einem Dienstag, zwischen halb vier und vier, die Temperatur betrug fünf Grad minus, die Straßen vom Bordell zu ihrer Wohnung waren wie ausgestorben. Möglicherweise handelte es sich bei dem Täter um jemanden, den sie kannte und dem sie vertraute.
Sie wurde zwei Tage nach ihrem Verschwinden in ihrer Wohnung aufgefunden, die Bauchdecke aufgeschlitzt, die Genitalien verstümmelt, das Gesicht fast bis zur Unkenntlichkeit durch Schläge und Schnitte entstellt, und auch ihr wurde die Kehle durchschnitten. Julia Durant hatte schon etliche gewaltsam zu Tode Gekommene gesehen, doch dieses Bild hatte sich ihr ganz besonders eingeprägt. Ein junger Beamter, der zusammen mit seinem Kollegen einer der ersten am Tatort war, musste sich übergeben. Durant wurde unweigerlich an die Berichte über Jack the Ripper aus dem London des ausgehenden 19. Jahrhunderts erinnert, der seinen Opfern ebenfalls den Leib aufgeschlitzt und sie teilweise ausgeweidet hatte, nur dass bei Manuela Frey keine Organe entnommen wurden. In der Wohnung wurden unzählige Fingerabdrücke sichergestellt, aber keiner von ihnen war in der Datenbank registriert.
Das dritte Opfer, Sibylle Kröger, war eine arbeitslose Enddreißigerin, die die meiste Zeit vor dem Computer verbrachte. Knapp einssechzig, etwa hundert Kilo schwer und aufgedunsen. Kettenraucherin und Alkoholikerin, wie die Durchsuchung der Wohnung und auch die Autopsie ergaben. Auch sie erstochen, aber nicht verstümmelt, obwohl der Täter genug Zeit gehabt hätte. Und auch hier kein Hinweis auf den Mörder. Sie wurde weder vor noch nach ihrem Tod missbraucht, sie schien überhaupt seit Langem keinen Geschlechtsverkehr gehabt zu haben, wie Andrea Sievers lakonisch bemerkt hatte. Die Festplatte des Computers war gelöscht worden, die Experten von der Kriminaltechnik hatten vergeblich versucht, wenigstens Dateifragmente wiederherzustellen. Sie sagten wer immer die Festplatte gelöscht habe, müsse ein Profi sein Man zog in Betracht, dass sie ihren Mörder übers Internet kennengelernt und mit ihm auch Mails ausgetauscht hatte. Der Todeszeitpunkt wurde auf die Nacht zwischen dem 9. und 10. März festgelegt, auch wenn man ihre Leiche erst eine Woche später fand.
Die vierte Frau, Liane Heuer, eine fünfzigjährige Zahnärztin aus Schwanheim, wurde in den frühen Morgenstunden des 10. März von Arbeitern neben Mülltonnen in der Nähe der Uni-Klinik entdeckt. Der Todeszeitpunkt lag laut Obduktionsbefund zwischen Mitternacht und ein Uhr. Sie war durch mehrere Messerstiche getötet worden, anschließend erfolgte ein gezielter Schnitt durch die Halsschlagader, doch ansonsten gab es keine Übereinstimmungen mit den anderen Morden, da sie weder vergewaltigt noch verstümmelt worden war. Das löste bei einigen Kollegen die Vermutung aus, dass der Täter vielleicht bei der Tat gestört wurde und deshalb auf das übliche Ritual verzichtete, doch Durant meinte, es gebe kein festgelegtes Ritual, da alle Morde zum Teil unterschiedliche Vorgehensweisen zeigten. Und dennoch war sie überzeugt, dass es sich um einen Täter handelte.
Jede Spur, der man in den darauffolgenden Monaten nachging, führte in eine Sackgasse. Es gab keine Verbindungen zwischen den Frauen, sie hatten sich nie gesehen, nie miteinander gesprochen. Karin Weiland wohnte im nordwestlichen Stadtteil Niederursel, Manuela Frey im Ostend, Sibylle Kröger in Bonames und Liane Heuer in Schwanheim. Niemand hatte etwas gesehen oder gehört, keine Schreie, keinen Hilferuf, nichts. Von den vier Frauen hatte lediglich Karin Weiland Geschlechtsverkehr gehabt, bei keiner der vorgenommenen Autopsien wurde Sperma gefunden. Nur bei Manuela Frey gab es mehrere Spuren von Fremd-DNA. Im Zuge der Ermittlungen wurden sämtliche Kunden des vorangegangenen Abends einem DNA-Test unterzogen, doch keiner von ihnen kam als Mörder in Frage.
Auch war die Tatwaffe nie dieselbe, es wurden unterschiedliche Messer benutzt, jedoch immer solche, die über eine sehr scharfe Klinge verfügten.
Die Presse berichtete sehr ausführlich über die Morde, ohne aber Einzelheiten zu nennen, da die Polizei bereits nach dem zweiten Mord eine Informationssperre verhängte.
Julia Durant und ihre Kollegen bearbeiteten in den folgenden Monaten die Mordfälle, ohne auch nur den geringsten Hinweis auf den oder die Mörder zu finden. Und sie fürchtete, dass die Akten, wenn nicht ein
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