Tödliches Lachen
untersten Ende des Justizsystems stand. Sie und all ihre Kollegen, ihr Vorgesetzter und Kommissariatsleiter Berger eingeschlossen. Ging etwas schief, wurden sie verantwortlich gemacht, schnappten sie nach langer, mühevoller Kleinarbeit einen hochrangigen Gangster, passierte es nicht selten, dass ein solcher Mann auf freien Fuß gesetzt wurde, weil irgendwelche Staatsanwälte oder Richter das so beschlossen oder weil von noch höherer Stelle eine entsprechende Anweisung erteilt wurde.
Aber darüber machte sie sich an diesem Morgen keine Gedanken. Sie stand auf, ging ins Bad und kam nach einer Viertelstunde zurück, aß eine Schale Cornflakes mit Milch und trank dazu einen Kaffee und rauchte, bevor sie das Geschirr in die Spüle stellte, noch eine Zigarette.
Sie dachte an den vor ihr liegenden Tag, an die allmählich im Sande verlaufenden Ermittlungen in vier Mordfällen an Frauen, die zwischen Januar und März auf zum Teil brutale und zum Teil sadistische Weise getötet worden waren und man sich immer noch nicht sicher war, ob man es mit einem oder mehreren Tätern zu tun hatte, auch wenn sehr viele Indizien für einen Täter sprachen. Die Morde wiesen gewisse Parallelen auf, doch auch wieder gravierende Unterschiede.
Eine der Frauen, Karin Weiland, war verheiratet gewesen, hatte zwei reizende Töchter im Alter von vier und sechs Jahren und war nach einem Besuch bei einer kranken Freundin nicht mehr nach Hause gekommen. Sie hatte das Haus dieser Freundin am Abend des 10. Januar gegen zweiundzwanzig Uhr verlassen, war noch in einer Bar gesehen worden, wo sie sich laut Aussagen mehrerer Gäste etwa eine halbe Stunde aufgehalten hatte, danach verlor sich ihre Spur - bis Karin Weiland zwei Tage später von Spaziergängern in einem Wald bei Kronberg gefunden wurde. Laut Gerichtsmedizin hatte sie kurz vor ihrem Ableben Geschlechtsverkehr, wobei jedoch ein Kondom benutzt wurde. Da sie keinerlei Abwehrverletzungen aufwies, zog man in Erwägung, dass sie einen geheimen Liebhaber hatte, doch der Geschlechtsakt konnte auch mit dem Mörder durchgeführt worden sein. Eine genaue Rekonstruktion war nicht möglich. Was man definitiv wusste, war, dass ihr Mörder sie mit über dreiundzwanzig Messerstichen abgestochen und ihr einen tiefen Schnitt am Hals zugefügt hatte. Sie sei förmlich ausgeblutet, hatte Prof. Bock gesagt, der zusammen mit Andrea Sievers die Autopsie vorgenommen hatte.
Die Frage, die alle an den Ermittlungen beteiligten Beamten beschäftigte, war, warum sie in diese Bar ging, obgleich sowohl ihr Mann als auch ihre Freundin, deren Aussagen ansonsten auffallend widersprüchlich waren, steif und fest behaupteten, sie habe Bars und Kneipen gemieden wie der Teufel das Weihwasser, da sie eine fast militante Antialkoholikerin und Nichtraucherin gewesen sei, und überhaupt sei sie überaus zuverlässig gewesen. Ihr Mann hatte ein hieb- und stichfestes Alibi. Er war an dem Abend zu Hause bei seinen Töchtern und hatte, nachdem er sie zu Bett gebracht hatte, noch mit seiner Mutter telefoniert, was überprüft worden war.
Karin Weiland war zum Zeitpunkt ihres Todes neunundzwanzig Jahre alt, recht hübsch, ein Vollblutweib, wie Hellmer nach dem Betrachten einiger Fotos bemerkte, und eine liebevolle Ehefrau und Mutter. Dazu ein aktives Kirchenmitglied mit vielen Bekannten und Freunden. Ein Fall, der die Beamten vor eine fast unlösbare Aufgabe stellte, denn wen immer man auch befragte, einige sogar mehrfach, es gab keinen einzigen Hinweis, der auf einen Täter aus ihrem Bekannten- oder Freundeskreis hindeutete, denn alle Alibis waren absolut wasserdicht. Was die Beamten jedoch etwas verwirrte, war, dass sie bei ihrem Auffinden schwarze Edeldessous trug, die nicht zu dem eher biederen Bild passten, das sowohl ihr Mann als auch ihre Eltern, Freundinnen und Bekannten von ihr zeichneten. Ihr Mann behauptete, sie habe so etwas gerne getragen - für ihn. Eine Erklärung, warum sie die Dessous auch am Abend ihrer Ermordung trug, wo sie doch nur eine Freundin besuchte, hatte er nicht.
Beim zweiten Opfer lag der Fall etwas anders. Manuela Frey war vierunddreißig, geschieden, keine Kinder - und sie war eine Prostituierte. Klein, sehr schlank, fast androgyn, mit einem herben Gesicht und großen, ausdrucksstarken Augen, sofern die Fotos, die man von ihr fand, nicht täuschten. Sie arbeitete in einem Nobelbordell im Frankfurter Ostend und wohnte nur fünf Minuten zu Fuß von ihrer Arbeitsstätte entfernt. Wie die Ermittlungen
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