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Tödliches Orakel

Tödliches Orakel

Titel: Tödliches Orakel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tina Sabalat
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erzählst es niemandem weiter. Er hat wahrscheinlich gar nichts damit zu tun. Und Oleg ist sowieso nicht sein richtiger Name.«
    »Ja, ich schwöre. Bei dem kurzen Leben, das mir noch bleibt. Isst du das Croissant nicht?«
    »Nimm.«
    Sam brauchte keine zweite Einladung, und als nur noch Krümel übrig waren, hatte ich das wenige zusammengekratzt, das in meinem Gehirn über Olegs Leben existierte.
    »Du kennst Abramowitsch, oder? Diesen Milliardär mit den riesigen Yachten? Und den Fußball-Vereinen?«
    »Nicht persönlich. Aber ich habe von ihm gehört.«
    »Abramowitsch macht in Öl, Oleg in Gas. Er ist nicht so reich wie Abramowitsch und bei weitem nicht so bekannt, aber sonst sind sie sich ähnlich. Oleg stammt aus Sibirien. Er hat nach der Schule in einer Förderanlage für Erdöl gearbeitet. Als es mit der Privatisierung der russischen Wirtschaft losging, hat er ein paar zehntausend Dollar auf den Tisch irgendeines Beamten geblättert, und man hat ihm diese Anlage überlassen. Mit den Rechten, das Gas zu fördern und zu verkaufen. Ich weiß nicht, wo er das Geld herhatte. Das war damals für russische Verhältnisse ein Vermögen.«
    »Ein Sechser im sibirischen Lotto«, sagte Sam, ich dachte eher an einen Treffer im russischen Roulette, fuhr aber ungerührt fort.
    »Er hat weitere Anlagen gekauft und eine Firma gegründet, die sich um den Verkauf kümmert. Er hat nicht mehr in Russland verkauft, zu russischen Preisen, sondern auf dem Weltmarkt, zu Weltmarktpreisen. Jetzt besitzt er eine eigene Pipeline und Milliarden. In der Wirtschaftskrise hat er viel davon verloren, aber nicht so viel wie andere.«
    »Dank dir.«
    »Ja. Oleg kommt dreimal im Jahr, ich konnte ihn warnen. Er konnte nicht mehr alles umschichten, aber er hat nur ein Viertel verloren. Andere wären froh gewesen, wenn sie ein Viertel hätten retten können.«
    Ich hatte Oleg gesehen, wie er auf Kurse gestarrt hatte, tagelang. Hatte ihn Männer und Frauen in feinen Anzügen und schicken Kostümen anschreien sehen. Hatte ihn eine vergoldete Pistole anstarren sehen. Ich hatte ihm gesagt, er solle aufhören, so zu leben, als wäre er der Bösewicht aus dem nächsten James Bond und seine Anlagestrategien überdenken.
    »Er dürfte dir dankbar sein.«
    »Oh ja.«
    »Und inwiefern hat er Dreck am Stecken?«
    Ich zuckte mit den Schultern, denn es war schwer in Worte zu fassen.
    »Ich habe ihn nie bei Dingen gesehen, die wirklich ein Verbrechen gewesen wären. Er schreit Leute an, ich habe auch mal gesehen, dass er einen jungen Mann geohrfeigt hat. Er hat eine Ehefrau und eine Ex-Frau, sieben Kinder. Wechselnde Freundinnen. Aber das ist es nicht. Er trifft sich mit Leuten, die ich nicht mag. Meist schwirren Anwälte und Buchhalter um ihn herum, er sitzt in Büros und Konferenzräumen. Aber manchmal trifft er sich mit einzelnen Herren. Entweder sehen sie aus wie er. Älter. Anzüge, Goldknöpfe. Oder sie sind jünger. Tragen Lederjacken und Waffen. Mit diesen Leuten redet er nicht von oben herab, die brüllt er nicht an. Ich verstehe kein Russisch, deswegen weiß ich nicht, was auf diesen Treffen besprochen wird. Aber das sind die wirklich wichtigen Treffen. In Hotelzimmern oder Hinterzimmern, mit Bodyguards vor der Tür. Ich muss Oleg immer beschreiben, wie die Männer aussahen. In welchen Autos sie vorfuhren. Wer welchen Gesichtsausdruck hatte. Bei einem Mann hat er mich sogar mal gefragt, welche Waffe der dabei gehabt hätte. Meine Beschreibung passte wohl auf Zwillingsbrüder, aber der eine pflegte diese Art Waffe zu tragen, der andere eine andere.«
    »Klingt verdammt nach Mafia. Treffen der Paten und ihrer Handlanger.«
    »Was sonst noch?«, fragte ich und dachte kurz nach. »Ah, ja. Ich weiß, dass Oleg sich um ein politisches Amt bewerben will. Oder besser: Es kaufen will. Nichts großes, so was wie ein Gouverneur in einer Provinz. Er wird es bekommen, denn er zahlt gut.«
    »Woblast«, warf Sam ein, scheinbar hatte es ihm das Wort angetan. »Aber warum ist es ein Zeichen dafür, dass er Dreck am Stecken hat, wenn er sich für so ein Amt bewirbt? Ich finde unsere Politiker ja auch durch die Bank unerträglich, aber dass die alle von der Mafia sind, glaube selbst ich nicht. Und in Weißrussland sind Leute, die sich zur Wahl stellen, Helden.«
    »Ja, wenn sie für die Opposition antreten. Oleg tritt für die Regierungspartei an. Das Amt verschafft ihm juristische Immunität. Man kann nicht gegen ihn ermitteln.«
    »Ah.« Sam merkte auf. »Wenn er das

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