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Tödliches Rätsel

Tödliches Rätsel

Titel: Tödliches Rätsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul C. Doherty
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Augenklappe winkte sie herüber und deutete auf ein Schachbrett. »Ein Spielchen, Sir John? König gegen König, Läufer gegen Läufer?«
    Cranston schüttelte den Kopf. »Ein andermal, und ganz bestimmt nicht hier.«
    Sie wollten dem Wärter weiter in einen engen Korridor folgen, doch da blieb Athelstan stehen.
    »Bruder, was ist?« rief Cranston.
    »Sir John, das erste Rätsel mit dem König, der seine Gegner besiegt, wonach Sieger und Besiegter am selben Ort liegen — das ist ein Schachspiel.«
    Cranston befahl dem Wärter zu warten. »Natürlich!« flüsterte er. »Ein Schachspiel! Und was beweist das, Bruder?«
    Athelstan rieb sich das Gesicht. »Das weiß ich noch nicht, Sir John. Ich nehme an, unser Mörder betrachtet seine Morde als ein Spiel, aber zugleich will er offenbar bekanntgeben, daß er das Spiel unter allen Umständen weiterspielen wird, auch wenn er am Ende dort liegt, wo auch die Besiegten liegen.«
    »Nämlich im Grab«, vollendete Cranston. »Das leuchtet ein, Bruder. Wenn Alcest unser Mörder ist, dann wird er zweifellos auch sterben.«
    »Aber warum könnte Alcest bereit sein, sein Leben aufs Spiel zu setzen?«
    »Das weiß ich auch nicht, Bruder.«
    Sie wanderten weiter den Gang hinunter, bis der Wärter vor einer Tür stehenblieb. »Im Herzen von Newgate, Sir John.« Sein schorfiges, schmutziges Gesicht erstrahlte in boshafter Schadenfreude. »Der Vikar der Hölle hat das Beste verdient, und das Beste kriegt er auch.«
    Er schloß die Tür auf, stieß sie auf und ging hinein, um seine Fackel drinnen in einen rostigen Wandhalter zu schieben. Der Vikar der Hölle saß auf einem Haufen Stroh in der Ecke, Knöchel und Handgelenke steckten in Ketten, die an Eisenringen an der Wand befestigt waren. Sein Gesicht war schmutzig, und ein großer Bluterguß prangte dunkel auf der rechten Wange. Trotzdem lächelte er frech.
    »Sir John, ich würde aufstehen und mich verbeugen, aber...« Er spreizte unter Kettenrasseln die Arme. »Vermutlich seid Ihr hier, um mir zu sagen, daß der Bischof von London beschlossen hat, mich wieder als Priester einzusetzen. Oder hat der Regent einen Pardon erlassen?«
    »Hängen wirst du, mein Böckchen.« Cranston blieb vor ihm stehen. »Aber du wirst mir doch fehlen, wenn du weg bist.« Er wartete, bis der Wärter die Zellentür verschlossen hatte.
    »Werde ich hängen?« fragte der Vikar leise und starrte Athelstan kläglich an. »So viele Psalme sind doch noch zu singen. So viel Rotwein ist noch ungetrunken.« Er seufzte. »Andererseits — ich habe so manchen Tag gesehen, und alles Gute muß einmal ein Ende haben.«
    Cranston lehnte sich an die Wand. Athelstan ging zur Tür und spähte durch das Gitter. Der Wärter, der draußen gelauscht hatte, fuhr zurück.
    »Du bist kein schlechter Mensch«, sagte Cranston. »Keine wirklich gottlose Seele. Du bist nur ein eingefleischter Gauner. Schurkereien reizen dich wie ein Schälchen Sahne die Katze.« Er hob die Hand. »Aber ich schwöre, ich will dich nicht hängen sehen. Aus London verbannt vielleicht, für zwei oder drei Jahre.« Sir John schwieg und kratzte sich am Kinn.
    Der Vikar der Hölle war jetzt ganz Ohr. »Unter welchen Bedingungen, Sir John? Was wollt Ihr dafür haben?«
    »Die Schreiber vom Grünen Wachs.«
    »Oh, Sir John, das könnt Ihr nicht.«
    »Oh, Sir John, das kann ich doch«, äffte Cranston ihn nach. »Was ist denn so Besonderes an denen? Die meisten sind tot und ersetzt, und über Alcest wissen wir genug, um ihn in Tower Hill oder Tyburn am Galgen tanzen zu lassen.«
    »Auch richtig.« Der Vikar der Hölle lehnte sich in seiner Ecke zurück. »Wenn ich rede, Sir John, werden mir dann diese Ketten abgenommen?«
    »Wenn du redest«, sagte der Coroner, »bist du bei Sonnenuntergang ein freier Mann. Solltest du dich allerdings noch einmal in der Stadt erwischen lassen, dann gibt es ein Standgericht: Auf die Knie, die Stirn auf einen Klotz Holz, und ab ist der Kopf.«
    »Es ist so, Sir John«, begann der Vikar. »Leute wie ich müssen — wie soll ich es ausdrücken? — in Bewegung bleiben. In diese Stadt fahren, dann in jene. Nach Übersee. Oder, wenn uns der Boden zu heiß wird, uns im Hause eines Kaufmanns eine Stellung suchen, wo wir uns zur Ruhe setzen können. Dazu aber brauche ich Dokumente, Pässe, Lizenzen. Was ich Euch jetzt offenbare, wird wahrscheinlich ein sehr beliebtes Schlupfloch für uns Gauner verschließen. Sagt mir, Sir John, wenn ich ein solches Dokument benötige, was muß ich dann

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