Tödliches Rendezvous - Maxian, B: Tödliches Rendezvous
den hohen Kosten von Miete, Strom und Lebensmitteln brauche ich jeden Cent. Heizen im Winter ist bei mir zum Luxus geworden. Aber die Spielregeln bestimmen die, die das Geld haben.«
» Und welchen Kurs besuchen Sie im Moment?«
» Buchhaltung.« Sie zählte an den Fingern ab. » Aufgaben des betrieblichen Rechnungswesens, Sollbuchungen, Habenbuchungen, Kontenformen. Aufwände werden immer im Soll gebucht. Aber egal wie Sie es nennen.« Sie ließ die Hände fallen. » Es ist alles relativ sinnlos. Der Markt fordert jüngere Arbeitnehmer. Frischfleisch. Anfänglich habe ich mich geniert, wenn mich jemand nach meinem Job gefragt hat. Arbeitslos sein klingt doch irgendwie nach Versagen. Da nützt es auch nichts, dass mich eine Krankheit dazu gezwungen hat, eine Krise und damit eine Kündigungswelle über das Land hinwegrollt und sich selbst Experten nicht einig sind, ob es in naher Zukunft eine Erholung geben wird, eine Rezession oder Depression ansteht. Ich habe aufgehört, darüber in den Zeitungen zu lesen. Für mich persönlich ändert sich eh nichts.« Katharina Mohn klang verbittert. Sie schaute auf die Uhr. » Etwa einen Monat nach der Kündigung habe ich das erste Mal unter Schlaflosigkeit gelitten. Das Problem war mir anfangs noch unbedeutend vorgekommen, aber es ist immer schlimmer geworden. Eine Woche ging das so. Ich war unglaublich erschöpft, hab schrecklich ausgesehen. Verquollene Augen, tiefschwarze Ringe und eine aschfahle Haut waren das Ergebnis dieses gestörten Tag-Nacht-Rhythmus. Ich wusste ja selber, was diesen Zustand bei mir ausgelöst hatte, ich kannte die Diagnose.« Sie stand auf, zündete sich erneut eine Zigarette an und stellte sich ans Fenster. » Und meine persönliche Therapie hieß: Ich hörte auf, mir weiter Gedanken zu machen, ging in die Apotheke und kaufte Schlaftabletten.«
» Schlaflosigkeit ist neben Appetitlosigkeit eines der am häufigsten anzutreffenden Symptome bei Arbeitslosen«, sagte Sarah. » Sie sollten das nicht auf die leichte Schulter nehmen.«
Katharina Mohn reagierte nicht.
» Es gibt eigene Studien darüber. Ich habe erst gestern darüber in den Unterlagen meiner Kollegin etwas gelesen. 44 Prozent der Arbeitslosen haben darin über eine Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes berichtet. Magen- und Kopfschmerzen.«
Katharina Mohn rutschte unruhig auf ihrem Sessel hin und her und schaute auf die Uhr. » Vergessen Sie’s, Frau Pauli. Ich muss dann aber wirklich …«
» Eine letzte Frage noch, Frau Mohn. Wurde Brigitte Hauser gestoßen?«
Katharina Mohn dämpfte ihre Zigarette aus.
» Wollen Sie wirklich wissen, was ich denke?«
Sarah nickte.
» Da draußen läuft jemand herum, der aufräumt.«
» Was meinen Sie mit aufräumen?«
» Irgendjemand tötet Arbeitslose.«
Das war doch der absolute Irrsinn. Sarah konnte nicht glauben, was sie soeben gehört hatte. » Das glaube ich nicht. Wir leben doch nicht in … Wie kommen Sie auf so eine Idee?«
Katharina Mohn verschränkte die Arme.
» Weil es so ist. Lesen Sie Zeitung.«
Sarah runzelte die Stirn. » Das mache ich, Frau Mohn. Aber ich habe noch nie etwas Derartiges gelesen.«
» Werden Sie auch nicht, weil niemand daran glaubt. Nur Ihre Kollegin hat uns geglaubt.«
» Was haben Sie ihr gesagt? Warum hat sie Ihnen geglaubt?«
Katharina Mohn legte den Kopf schief, antwortete nicht, schaute auf die Uhr. » Es tut mir leid. Ich kann Ihnen nicht mehr sagen, sonst gefährde ich mich selbst. Gehen Sie, Frau Pauli, und finden Sie Ihre Kollegin. Wenn es nicht schon zu spät ist. Ich muss jetzt wirklich gehen. Machen Sie etwas draus, oder lassen Sie’s. Mir ist es inzwischen gleich.«
*
Einige Meter von dem Haus entfernt blieb Sarah noch einmal stehen. Ihr Herz pochte wie wild, und in ihrem Kopf herrschte Chaos. Katharina Mohns Vermutung war unglaublich. Konnte sie den Aussagen dieser Frau trauen? Hatte ihr Hilde Jahn wirklich geglaubt? Sarah zweifelte daran. Hilde Jahn war nicht der Typ, der jemandem so eine Aussage einfach abnahm. Warum sollte sie es dann tun, einer Frau vertrauen, die sie 20 Minuten zuvor kennen gelernt hatte?
Herrgott noch mal! Warum rief dieser Simon nicht endlich an? War es wirklich so schwer, das Passwort eines Computers zu knacken? Gestern war sie noch beunruhigt darüber gewesen, dass diese Computerfreaks so ohne Weiteres Passwörter knacken konnten. Sarah zerrte das Handy aus ihrer Handtasche, rief in der Redaktion an, fragte nach Simon. Jemand aus seiner Abteilung sagte
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