Tödliches Rendezvous - Maxian, B: Tödliches Rendezvous
hier passiert?«
Stein seufzte genervt.
» Wir haben noch keine klare Vorstellung, was hier passiert ist, nur eine Vermutung. So wie es aussieht, fehlen keine Wertgegenstände. Ihre Handtasche wurde offensichtlich nicht durchwühlt. Sie hatte ein Pfefferspray eingesteckt, das sie aber nicht benutzen konnte, weil, so vermuten wir, der Angriff überraschend kam. Da sieht man mal wieder, dass diese Dinger nicht viel helfen, außer du hast sie schon in der Hand, bevor was passiert.« Er machte eine kurze Pause. » Auch ein Sexualdelikt klammern wir fürs Erste aus.« Er schüttelte seinen kahlen Kopf. » Wir haben vorerst kein Motiv, das sind die unangenehmsten Fälle. Ihr Handy war ausgeschaltet. Sie wollte offensichtlich nicht gestört werden. Wir glauben, dass sie hier jemanden getroffen hat. Vielleicht einen Informanten. An welcher Geschichte war sie dran, David?«
Gruber schwieg.
» Woran hat sie gearbeitet?«
Gruber zuckte die Achseln.
» Du weißt, dass ich dich wegen Behinderung drankriegen kann?«
Gruber nickte, gab ihm eine ehrliche Antwort. » Wir wissen selber nicht, an welcher Geschichte sie gearbeitet hat.«
Stein runzelte misstrauisch die Stirn. » Wir haben einen Zeugen, der gesehen hat, wie ein Mann das Gebäude betreten hat. Kurz danach ist Hilde gekommen.«
» Das sagst du mir erst jetzt?«, sagte Gruber mit vor Zorn heiserer Stimme. » Wie heißt der Zeuge? Wo wohnt er? Was hat er gesehen?«
Stein schüttelte den Kopf. » Das werde ich dir nicht sagen. Nicht du bist die Polizei, sondern wir.«
» Wo ist dieser Mann?«
» Bei uns im Büro. Er bringt gerade die Aussage zu Protokoll.«
» Er darf auf gar keinen Fall mit der Presse reden.«
Stein grinste breit. » Das haben wir ihm auch schon gesagt. Und damit wir uns gleich richtig verstehen: Presse heißt, auch mit dem Wiener Boten nicht.«
» Du!«, fuhr Gruber ihn an. » Hilde war meine Mitarbeiterin.«
Der Anwalt berührte Grubers Arm, um ihn zu beruhigen. Es funktionierte.
» Du sagst es«, erwiderte Stein. » Sie war deine Mitarbeiterin, und jetzt ist sie unsere Tote, und damit ist auch ihre Geschichte die unsere. Verstanden? Ich werde dir jetzt gleich noch meine Kollegen in die Redaktion schicken. Hildes Computer und ihre Unterlagen sind hiermit beschlagnahmt. Deine Leute sollen die Finger davon lassen. Herr Dr. Lackner wird dir sicher bestätigen, dass das rechtlich völlig in Ordnung ist.«
Als sie das Gebäude verließen, standen Journalisten mit Aufnahmegeräten und Mikrofonen vor der Absperrung. Kameramänner drehten. Doch Stein speiste sie routiniert ab.
» In einer halben Stunde bekommt ihr eure Presseunterlagen. Vorher sagt hier niemand ein einziges Wort. Macht Fotos von dem Gebäude und dann verschwindet!«, brüllte er.
Die Meute bewegte sich keinen Millimeter. Die Leute warteten auf den Abtransport des Sarges. Das gab einfach mehr her als das Gebäude allein.
Sie tun nur ihren Job, dachte Sarah, so wie wir sonst auch.
Gruber ignorierte alle Mikrofone und Diktiergeräte, die ihm vor die Nase gehalten wurden, und drängte sich gekonnt durch die Menge.
Im Auto rief er Kunz an und gab den Befehl, sofort Kopien von Hildes Festplatte und Unterlagen machen zu lassen. » Mit etwas Glück sind wir schneller als die Polizei«, sagte er. Er wandte sich an Dr. Lackner. » Wie hoch stehen die Chancen, dass wir an die Aussage des Zeugen rankommen?«
» Vergiss es«, sagte Gerald Lackner. » Lass die Polizei die Arbeit machen. Du wirst Hildes Mörder nicht finden.«
Gruber schnaubte verächtlich, gab ihm die Hand und winkte Sarah in den Wagen. Sie ließen die Stadtrandsiedlung hinter sich, rauschten an Gemeindebauten, Industriehallen vorbei in Richtung Redaktion. Sarah hatte irgendwo gelesen, dass der Bezirk Favoriten mit rund 170 000 Einwohnern die viertgrößte Stadt Österreichs wäre. Nur Wien, Linz und Graz waren größer.
Gruber bestellte Kunz in den Konferenzraum. Hier hatten sie ihre Ruhe, denn in den Büros läutete ständig das Telefon. Schon seit Stunden speiste Kunz die Konkurrenz mit Lügen ab. Die Eingangstür war abgesperrt. Kameramänner verschiedener Sender machten Außenaufnahmen. Reporter unterhielten sich, starrten zwischendurch zu den Fenstern der Redaktionsräume empor. Kunz zog die Vorhänge zu, obwohl der Raum im dritten Stock lag. Sicher war sicher. Mit dem richtigen Teleobjektiv konnte man vom Nachbargebäude aus sicher ein gutes Foto schießen.
Zum ersten Mal in ihrem Leben konnte Sarah erahnen,
Weitere Kostenlose Bücher