Tödliches Rendezvous - Maxian, B: Tödliches Rendezvous
gehabt zu recherchieren.« Dass Simon sie nicht benachrichtigt hatte, als er Hildes Passwort geknackt hatte, erwähnte sie nicht. Das Hühnchen würde sie ganz allein mit ihm rupfen. » Ich bin mir aber sicher, dass das die Story ist, nach der wir gesucht haben.«
» Du könntest Recht haben. Das wäre Hildes Kragenweite gewesen. Also los, Sarah! Du hast vier Tage. Bring mir Beweise, und dir gehören der Titel und die ersten vier Seiten der Samstagsausgabe.«
Sarah war sprachlos. Der Titel und die Seiten zwei bis fünf. Damit hätte sie nie gerechnet. Nicht für ihre erste Story. Das Einzige, was ihr Kopfzerbrechen bereitete, war die kurze Zeit, die sie zur Verfügung hatte. Wie sollte sie in nur vier Tagen Beweise für eine so ungeheuerliche Anschuldigung finden, wenn sie nicht einmal wusste, wo sie ansetzen sollte?
Gruber stand auf. » Ich bin jetzt mal weg und heute nicht mehr erreichbar.«
Kunz folgte ihm. Die Besprechung war vorbei. Sarah wollte sofort zu Simon.
Auf dem Weg kam sie an Gabis Büro vorbei. Die Sekretärin saß schweigend vor ihrem Schreibtisch, hielt ein Häferl Tee in ihren zitternden Händen. Ihre Augen waren rot vom Weinen. Ihren Kopf hielt sie gesenkt, die Augen starr auf die Tischplatte vor sich gerichtet.
Sarah rollte den Besucherstuhl neben sie, setzte sich und legte ihren Arm um Gabi. Sie spürte, dass es im Moment das einzig Richtige war zu schweigen. Auch wenn sie es nicht lange aushielt. Ständig drängten sich Bilder der toten Hilde in ihr Gedächtnis. Sie musste reden – oder etwas anderes tun.
Schließlich stand sie auf und ging an Gabis Schrank. Ihre Kollegin hörte beim Arbeiten gern Musik und hatte deshalb mehrere CDs im Büro deponiert. Sarah suchte etwas Passendes. Irgendwas. Hauptsache, diese Stille wurde unterbrochen und sie wurde das Gefühl los, in einem Altersheim zu sitzen, wo das Ticken einer Uhr das einzige Geräusch war, das man duldete, weil es gleichzeitig das Ablaufen von Lebenszeit symbolisierte.
Laut tickende Uhren hatten sie schon immer in den Wahnsinn getrieben. Ihre Großmutter hatte eine in ihrer Küche gehabt. Ein wahres Folterinstrument. Als sie die Nachricht vom Tod ihrer Eltern bekommen hatte, war dies das einzige Geräusch gewesen, das plötzlich aus ihrer Erinnerung aufgetaucht war. Sie hatte gesehen, wie die Frau vom Kriseninterventionsteam, die in so einem Fall die Polizei begleitete, die Lippen bewegt hatte. Tick Tack. Tick Tack.
Endlich hatte sie die richtige CD gefunden, schob sie in die Anlage neben dem Schreibtisch. Simon & Garfunkel, Sound of Silence. Perfekt.
Aber auch die Musik half ihr nicht. Sie goss Tee aus einer Thermoskanne in eine leere Tasse und setzte sich wieder neben Gabi.
Sie nippte an der Tasse. Früchtetee. Sarah mochte nur Schwarz- oder Kräutertee. Sie stellte die Tasse auf dem Tisch ab.
» Gabi«, begann sie unsicher. Sie hielt diese Sprachlosigkeit nicht mehr aus. Alles war besser als das. Wut. Verzweiflung.
Ihre Kollegin hob den Kopf.
Sarah griff nach ihrer Hand. » Kann ich etwas für dich tun?«
» Ich kann es einfach nicht glauben«, sagte Gabi mit fremder Stimme. » Hilde ist tot.«
» Ja«, bestätigte sie. » Und es ist nicht deine Schuld.«
» Sie lag in einem leeren Gebäude? Du hast sie gesehen, Sarah. Wie hat sie ausgesehen?«
» Ähm.«
Ich hab sie zuerst gar nicht erkannt. Es war so viel Blut, und sie war so weiß im Gesicht. Und wie sie dalag.
» Friedlich«, log sie.
» Ich hab es ihm gesagt«, sagte Gabi und deutete mit dem Kopf in Richtung Grubers Büro.
» Das mit deiner Mutter, dem Foto und Hilde?«
Sie nickte.
» Und? Was hat er gesagt?«
» Nichts. Nur, dass sie eine verdammt gute Journalistin war und dass sehr viele gute Journalisten in ihrem Beruf ums Leben kommen. Nein. So hat er gesagt, manche würden für ihre Geschichten sterben. Er sagte auch, dass ich mit dir darüber reden soll, weil du jetzt an Hildes Stelle treten wirst.«
Kriegsberichterstatter, politische Journalisten in China oder sonst einem kommunistischen Staat sterben für ihre Storys oder für ihre Überzeugungen, dachte Sarah. Aber doch nicht in Österreich, Kolleginnen wie Hilde oder Conny, die Löwin. Die streifte wahrscheinlich schon umher, auf der Suche nach einer mysteriösen Liebesgeschichte für die Society-Seite. Hilde Jahn am Opernball mit einem millionenschweren Geschäftsmann oder einem prominenten Schauspieler oder sonst jemanden, dem Conny etwaige dubiose Geldgeschäfte oder Steuerhinterziehung
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