Tödliches Rendezvous - Maxian, B: Tödliches Rendezvous
natürlich aus unserem Weltbild verschwunden. Die Dämonen unserer Zeit tragen andere Masken. Umweltzerstörung, Fremdenhass, Radikalismus.«
Er verzog spöttisch den Mund. » Ich wusste nicht, dass man die Probleme des 21. Jahrhunderts mit Edelsteinen und Aberglauben bekämpfen kann.«
Der Regen peitschte hörbar gegen die Fensterscheiben.
» Natürlich nicht. Aber ich tue niemandem weh, wenn ich davon überzeugt bin, dass ein Aquamarin gegen Depressionen hilft oder ein Saphir das Nervensystem stärkt. Und warum sollte ich Silvester keine Glücksschweine verschenken? Wem schade ich damit?« Ihre Stimme war schärfer geworden, als sie wollte. Aber sie war es leid, sich immer wieder erklären zu müssen.
» Entschuldige«, sagte Gruber. » So habe ich das nicht gemeint.«
» Schon gut.«
Er sah sie sekundenlang schweigend an. » Weißt du, dass du sogar Hilde damit begeistern konntest? Unsere toughe, analytisch denkende Hilde. Wer hätte das gedacht?« Sein Blick blieb irgendwo hinter ihr hängen, als stünde dort ihre ermordete Kollegin. Sarah schwieg, ließ ihm Zeit, sich an sie zu erinnern, bevor sie fragte:
» Wie meinst du das?«
» Sie hat mir erzählt, dass sie, seit sie dich kennt, keine Termine mehr an einem Freitag, dem 13. ausmacht.«
Sarah hatte ihrer Kollegin damals allerdings gesagt, dass die 13 auch eine Glückszahl war. Historisch gesehen konnte man das auslegen wie man wollte. Sie beide hatten einander genauso gegenübergesessen wie jetzt sie und David. Bei einem Kaffee in der Kantine. Hilde hatte ihr damals die gleichen Fragen gestellt. Sarah seufzte und schwieg. Es würde nichts mehr ändern, außerdem war Hilde nicht an einem Freitag, dem 13. gestorben. Sie sah auf die Uhr. Es war bereits zwei.
Ihre Gläser waren leer.
» Gehen wir?«, fragte sie.
Donnerstag, 15. April
16
Um halb sieben schlug Sarah die Augen auf. Ein Geräusch hatte sie aus ihrem Traum gerissen. Sie erinnerte sich nicht mehr daran, aber ein Gefühl verriet, dass es ein sehr angenehmer Traum gewesen sein musste.
Marie war aufs Fensterbrett gesprungen und warf die Bücher, die darauf abgelegt waren, eines nach dem anderen auf den Boden. Der Aufprall verursachte jedes Mal einen dumpfen Knall. Der Grund war eine Amsel, die auf der anderen Seite des Fensters saß, sich jedoch von der wütenden Katze nicht beeindrucken ließ, sondern provokant sitzen blieb. Es schien, als wüsste sie, dass sich eine rettende Glasscheibe zwischen ihr und dem sicheren Tod befand.
» Ach, Marie«, brummte Sarah missmutig. » Lass doch den Vogel in Ruhe.«
Aber die schwarze Teufelin dachte nicht daran, ihre Jagd vorzeitig abzubrechen. Immer wieder bäumte sie sich auf, tappte mit den Vorderpfoten gegen die Scheibe.
» Vergiss es, Marie.« Sarah schwang die Beine aus dem Bett und verließ das Schlafzimmer.
Der Vogel flog davon. Marie verlor das Interesse und folgte ihrem Frauchen.
Auf dem Weg in die Küche warf Sarah einen Blick zur Garderobe. Keine fremden Kleidungsstücke, keine Schuhe. Chris hatte sein Versprechen gehalten.
Während der Kaffee durch die Maschine lief, kramte sie aus ihrer Handtasche Steins Visitenkarte hervor. Um halb acht konnte man einen Polizisten schon anrufen, beschloss sie, hoffte dennoch, während sie seine Nummer eintippte, dass er keinen Nachtdienst gehabt hatte und womöglich erst vor wenigen Augenblicken ins Bett gegangen war. Doch angesichts dessen, was sie aufgrund der Seite drei im Wiener Boten zu erwarten hatte, würde das Gezeter wegen eines Aufweckens harmlos sein.
Die Mailbox sprang sofort an. Sie hinterließ ihm eine Nachricht.
Mit der Kaffeetasse in der Hand beobachtete sie die Männer der MA 48, die gerade dabei waren, die Müllcontainer auf dem Brunnenmarkt zu entleeren. Die ersten Standler räumten ihre Waren ein. Ob sie den Artikel schon gelesen hatten, den Gruber und sie verfasst hatten? Ihre Gedanken schweiften ab. David und sie beim Abendessen.
Sie schüttelte die Erinnerung ab wie ein lästiges Insekt.
Die Standbesitzer hatten den Bericht wohl kaum gelesen. Die meisten von ihnen lasen vermutlich zuerst oder überhaupt nur türkische Zeitungen.
Auf dem Weg zur U-Bahn beobachtete sie die Menschen. Niemand verhielt sich anders als sonst. Sarah war enttäuscht.
Hatte denn noch niemand ihren ersten großen Artikel gelesen? War er vielleicht doch noch rausgeflogen? War es sich nicht mehr ausgegangen vor dem Druck? Gruber und sie hatten ihn erst kurz vor Mitternacht abgegeben. Sie ging in
Weitere Kostenlose Bücher