Toedliches Verlangen
konnten, mit den Herausforderungen seiner Natur richtig umzugehen.
Seufzend strich Myst ihm mit der Fingerspitze über die Wange. Wie ungerecht. Ihn im Arm zu halten versetzte sie in den siebten Himmel, aber in drei Tagen würde sie ihn aufgeben müssen. Ihn nie wiedersehen. Der Gedanke hielt sie gefangen … genau in der Mitte zwischen ihrer Welt und der seinen. Und an diesem kleinen Ort gab es keinen Kompromiss, keine einfache Lösung. Alles lief auf eine Entscheidung hinaus …
Bleiben oder gehen. Ihr Leben für das seine.
Es schnürte ihr die Kehle zu, und sie lief an der Kücheninsel vorbei zum Laufstall. Sie musste ihn ablegen … wenigstens für einen kurzen Moment. Ihn an sich zu drücken half ihr gar nicht. Es verstärkte den Schmerz nur noch. Machte den Gedanken, ihn zu verlassen, noch unerträglicher und die Vorstellung, bei ihm zu bleiben, weniger schlimm. Aber er war kein Hundewelpe. Eine Adoption war eine ernsthafte Sache, und sie musste eine Entscheidung treffen.
Sie lockerte ihren Griff und zwang sich, ihn hinzulegen. Während sie das Bettzeug richtete und ihn fest in die Decke wickelte, streichelte sie sacht sein kleines Ohr und lauschte seinem Atem. Ihre gemeinsame Zeit war endlich, das schien vorherbestimmt, und sie wollte sich an alles erinnern. Von seinem wunderbaren Babyduft über die zarte Haut bis zu dem Bild, wie er in seine Decke gewickelt im Laufstall lag, so klein und vollkommen.
In ihrer Brust bildete sich ein Knoten von der Größe Seattles und drohte sie zu ersticken. Myst atmete tief ein und trat zurück, schuf die nötige Distanz zwischen ihnen.
Zeit für ein bisschen frische Luft.
Mit der Entscheidung konnte sie sich später noch zu Tode quälen. Der Garten schien ihr der perfekte Rückzugsort zu sein. Sie könnte sich eine Weile zwischen den hohen Bäumen und blühenden Büschen verlieren, um nachzudenken und einen Plan zu schmieden und … sich gründlich umzusehen.
Bastians Zuhause war riesig. Ein in Holzbalken gefasstes Monstrum mit mehr Wohnfläche, verschlossenen Türen und zugangscodegeschützten Eingängen, als sie an einem Abend erkunden konnte. Aber wichtiger noch, als den Geländeplan zu verinnerlichen, war es, ein Transportmittel zu finden. Sie brauchte ein Auto, um aus dieser Wildnis zu entkommen.
Und wo bewahrten die meisten Leute ihre Fahrzeuge auf?
In einer Garage.
Daimler – er sei gesegnet – hatte bereits angemerkt, dass die Garage nicht ans Wohnhaus angeschlossen war. Also war das Verlassen des Hauses Teil eins von Plan A. Ein Gartenspaziergang war der perfekte Vorwand, um ein bisschen herumzuschnüffeln. Dumm nur, dass sie auf diesem Gebiet keinerlei Erfahrung hatte. Ein bisschen Navy- SEAL -Training würde sie jetzt weit bringen.
Aber so gerne sie ihn auch so nannte, Bastian war kein Idiot. Sie hatte gesehen, wie er mit Daimler gesprochen hatte, als er aus der Küche gegangen war. Seitdem hatte der kleine Elf das Hauskommando übernommen. Versteckt folgte er jedem ihrer Schritte, beobachtete sie mit Argusaugen und – Überraschung! Sie war nicht alleine.
Myst fuhr herum zum Küchenarbeitsraum. Das kratzende, kaum hörbare Geräusch erklang erneut. Himmel. Diesen ganzen verdeckten Ermittlungskram beherrschte Daimler nicht besser als sie. Na ja, wenigstens versuchte er es.
»Daimler?«
Mit einem fröhlichen Hüpfer sprang der Butler durch die aufschwingende Tür in die Küche. Überschwänglich wedelte er mit einem Spatel voller Zuckerguss über seinem Kopf herum. »Ja, Myl… Myst? Wie kann ich behilflich sein?«
Myst starrte ihn an und unterdrückte ein Lächeln. Großer Gott, war der Kerl gelenkig … und lustig anzusehen . Gott sei Dank. Gegen schlechte Laune wirkte er besser als eine Dosis Antidepressiva.
»Du kannst aufhören, mir hinterherzulaufen, weißt du? Ich haue nicht ab.« Zumindest nicht heute Nacht. In drei Tagen? Da halt besser die Augen offen. Bis dahin wäre ihr Plan so bombensicher wie ein Atombunker, und sie hätte die Schlüssel des schnellsten Fahrzeugs in der Tasche, das in Bastians Garage stand.
»Oh, das tue ich nicht, ich …«
»Spar dir die Worte, Daimler.«
Er ließ den Spatel sinken, und seine Miene verwandelte sich von glückselig in niedergeschlagen. »Es lag nicht in meiner Absicht, Ihre Privatsphäre zu stören, Mylady.«
»Ich weiß.«
»Master Bastian war besorgt … dies ist schließlich Ihre erste Nacht im Black Diamond. Er wollte bleiben, aber die Pflicht hat ihn fortgerufen.«
Er hatte bleiben
Weitere Kostenlose Bücher