Toedliches Verlangen
auf, als die Dunkelheit ihn verschluckte.
21
Mit heulenden Sirenen rasten die Einsatzfahrzeuge parallel zur Küste den Alaskan Way hinunter. Rikar beobachtete die Lichterparade aus einer Meile Höhe im schnellen Flug, während er Ausschau nach seinen Brüdern hielt. Die kühle Nachtluft Seattles strich über seine Schuppen. Gott sei Dank. In den Büroräumen der Spurensicherung hatten Temperaturen geherrscht wie in der Hölle.
Warum taten sie das? Die Thermostate hochdrehen, wenn schon zwei Grad weniger jede Menge Energie sparen und auch noch die Heizkosten senken würden? Es ärgerte ihn und erschien ihm vollkommen unverständlich. Hatten sie dafür nicht die Pullover erfunden? Um nicht zu frieren?
Rikar schüttelte den Kopf. Er war wieder so weit, ließ seine Gedanken wandern, um die Angst in Schach zu halten. Bastian antwortete nicht. Er hatte ein Dutzend Mal versucht, eine Verbindung aufzubauen und …
Nichts. So viel Nichts wie das verdammte Loch in einem Donut. Nicht mal ein statisches Rauschen hatte er bekommen.
Was nur zwei Dinge bedeuten konnte. Sein bester Freund war entweder bewusstlos … oder tot.
Ein Kälteschauer durchfuhr Rikar. Er durfte ihn nicht verlieren. Nicht Bastian. Bei jedem anderen würde er mit dem Verlust und der Trauer fertigwerden. Aber nicht bei seinem besten Freund.
Noch immer vor den Augen der Menschen verborgen, verließ Rikar seine Deckung. Er jagte durch die Sturmwolken, verlor schnell an Höhe und setzte zum Tiefflug an. Er näherte sich dem Bahndepot von der Wasserfront aus. Vom Wind aufgewühlt, peitschte die Gischt durch den Hafen und verringerte die Sicht. Großartig. Tolle Nacht für einen verfluchten Sturm. Seine Freunde waren dort draußen – brauchten ihn –, und Mutter Natur wütete mal wieder an der West Coast und machte ihm einen Strich durch die Rechnung. Es kotzte ihn an.
Rikar holte tief Luft und erhaschte den Geruch chemischen Rauches. Eine Sekunde später sah er es durch den Nebel, schwarze Rauchwolken trieben über das Dach des nächsten Lagerhauses. Er achtete nicht auf den Menschenzirkus aus heulenden Sirenen und quietschenden Reifen, der über die Brücke zum Schauplatz rollte, und drehte rechts ab, um sich die Sache näher anzusehen.
Heilige Scheiße.
Das gesamte Depotgelände stand in Flammen. Es sah aus wie ein Kriegsgebiet. Glühender Stahl und brennende Holzbalken lagen um einen riesigen Krater herum auf dem Boden verstreut. Dem ganzen Gelände hatten die Drachen ein explosives Facelift verpasst, das aus geborstenen Kraftstofftanks, Zugwaggons und …
Einem havarierten Kipplader bestand. Ganz klar, Wick war hier gewesen.
Rikar überflog das Gebiet und schickte seine Magie auf die Suche nach seinen Freunden. Sie breitete sich aus wie ein unsichtbares Netz, strich über Land und Meer, Stahl und Beton wie ein lebendiger Radar. Von oben sah er den Feuerwehrleuten bei der Arbeit zu und umkreiste das Gebiet in der Hoffnung auf ein Antwortsignal ein zweites Mal.
Aber wieder … nichts.
Er musste dort hinunter. Vielleicht lag sein Waffenbruder unter einem dieser Schutthaufen. Und die Menschen an den Wasserschläuchen? Waren komplett im Arsch. Er hatte keine Zeit, Erinnerungen zu löschen. Nur eine Option … den Tod.
Auch wenn er es wirklich hasste.
Nicht, dass es ihm etwas ausmachte, Menschen zu töten, aber er vermied es, wenn möglich. Kriminelle waren hingegen kein Tabu. Aus gutem Grund. Serienmörder und Vergewaltiger hatten es meist auf Frauen abgesehen, etwas, das ein Mitglied des Nightfury-Clans niemals duldete. Einen dieser Idioten auszuschalten machte aus Mord vertretbaren Totschlag. Aber eine ganze Einsatztruppe aus Polizisten und Feuerwehrleuten schockzufrosten? Das war einfach falsch.
Rikar ging tiefer, noch immer vor menschlichen Blicken verborgen. Einen Moment lang schwebte er mit weit gespreizten Flügeln über den Männern am Boden. Er rang mit sich, als er einen tiefen Atemzug nahm. Eiskristalle formten sich in seinem Mund, als er den Fang öffnete und …
Ein schwaches Ping strich über seine Schuppen, umkreiste die Hörner auf seinem Kopf.
Rikars Kopf schoss in Richtung Hafen. Er schloss den Mund, schluckte Eis. Das Signal wiederholte sich. Das statische Rauschen war leise, verstummte immer wieder. Man konnte es kaum ein Signal nennen, aber … es war da.
Himmel, sie waren im Wasser! Der letzte Ort, an dem ein Drache sich aufhalten wollte. Kein Angehöriger des Drachenbluts konnte gut schwimmen. Nun ja, bis auf
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