Tödliches Vermächtnis - Lethal Legacy
herauszufinden, wer so spät noch anrief.
Carmine antwortete nach dem ersten Klingelton. »Hallo?«
»Carmine? Hier ist Alex Cooper. Wir haben uns mit Mike -«
»Ist das wieder so ein mieser Trick von ihm?«
»Nein, nein. Es geht darum, dass ich dringend mit Ms Hunt sprechen muss, unter vier Augen. Ich glaube, Mike ist gerade auf dem Weg zu ihr -«
»Spinnt der? Mitten in der Nacht? An einem Samstag? Sie ist ja nicht mal zu Hause.«
»Hören Sie, da ist diese Frau im Village, in der Bedford Street. Sie hat gegen Minerva Hunt Anzeige wegen Diebstahls erstattet. Ich, äh, ich …« Ich reckte die Hand nach oben, weil ich nicht wusste, wie ich weitermachen sollte.
Mike nickte mir ermunternd zu.
»Ms Hunt hat nichts gestohlen. Ich habe sie selbst
da hingefahren. Die alte Dame hatte ein Geschenk für sie. Alles ganz zivilisiert.«
»Ich glaube, Mike macht aus einer Mücke einen Elefanten«, sagte ich. »Ich bin völlig anderer Meinung als er. Ich dachte, Sie könnten sie vielleicht vorwarnen, und vielleicht kann ich mich für morgen mit ihr verabreden.«
Er war noch nicht bereit, mir zu vertrauen.
»Ist Minerva gerade bei Ihnen?«
»Für wie blöd halten Sie mich eigentlich, Ms Cooper? Damit Sie es Ihrem Schnüffler sagen können? Ich bin dann ja bloß der Dumme, der seinen Job los ist«, sagte er und legte auf.
»Sonny? Hast du die Ortung?«, fragte Mike. »Danke, Kumpel. Ich schulde dir was.« Er warf sein Handy auf den Sitz, ließ den Motor an und bog von der 42. Straße in die Fifth Avenue ein.
»Gut gemacht, Blondie. Dann hat Carmine das seltsame Pärchen wohl nach Downtown chauffiert. Second Avenue, zwischen Second und Third Street. Der nächste Handymast ist vor Provenzano’s , dem Bestattungsunternehmen.«
»Ein bisschen spät für einen Kondolenzbesuch«, sagte Mercer.
Wir fuhren zügig in südlicher Richtung zur Kreuzung Fifth Avenue und Broadway, wo wir nach Osten abbogen. Beim Überqueren der Third Street sah ich die Limousine in entgegengesetzter Richtung auf der Second Avenue stehen.
Mike parkte einige Autos hinter Carmine und schaltete den Motor und die Scheinwerfer aus. »Was meinst du, Mercer? Bei seinem Gewicht müssten die Reifen doch platt wie Flundern sein, wenn er da stundenlang in seiner Limousine hockt.«
»Ich kann mich drum kümmern«, sagte unser junger Schützling.
»Du bleibst bei mir, Shalik.«
»Los, Coop«, sagte Mike. »Wir sehen uns um.«
Wir stiegen aus. Mike ging voraus und schaute durch die Fensterscheiben ins Innere von Carmines Auto. Dann ging er in die Hocke. Ich versuchte Shalik abzulenken, während Mike einen Reifen mit seinem Schweizer Armeemesser einritzte.
»Er sollte abends nicht so schwer essen«, sagte Mike, als er zurückkam. »Er schläft wie ein Baby. Falls Minerva und Travis sich nicht darüber freuen, uns zu sehen, können sie jetzt wenigstens nicht so schnell abhauen.«
Mercer blickte links und rechts die Avenue entlang. »Ich sehe eine Pizzeria, ein Thai-Restaurant und ein Pub. Wir können es erst mal dort versuchen.«
Er legte eine Hand auf Shaliks Schulter, und ich ging an der anderen Seite, zwischen dem Jungen und den Häuserwänden. Mike versuchte die Tür des Bestattungsinstituts zu öffnen, aber sie war abgeschlossen, und es brannte auch kein Licht.
Als wir weitergingen, kamen wir an einem Durchgang vorbei, der durch ein schmiedeeisernes Tor verschlossen war. Die Nacht war klar, und es wurde zunehmend kühler. Mike klapperte alle Restaurants und Bars auf beiden Seiten der Straße ab, konnte aber weder Hunt noch Forbes ausfindig machen.
»Geh noch bis zur nächsten Straßenecke«, sagte Mercer. Mike tat es, während ich von Shalik wissen wollte, ob er in Travis Forbes’ Wohnung gewesen war. Als Mike zurückkam, hatte mir der Junge erzählt, dass ihn die Cops erwischt hatten, kurz nachdem er durch das Fenster eingestiegen war.
»Keine Spur von den beiden«, sagte Mike. »Es ist Zeit, dass wir Carmine aus seinen Träumen reißen und uns mal mit ihm unterhalten. Schlimmstenfalls warnt er sie telefonisch vor, dass wir hier sind, um ihnen die Party zu vermasseln.«
Wir gingen zurück in Richtung Limousine.
Das Licht von der Straßenlaterne fiel auf die goldene Inschrift neben dem schmalen, schmiedeeisernen Tor vor dem Durchgang zu meiner Linken.
Ich las die Inschrift auf dem großen Schild, erst leise, dann lauter: »New York Marble Cemetery. Gegründet 1831.«
Darunter befand sich ein kleineres Schild. Ich hielt mich am Gitter fest
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