Tödliches Vermächtnis - Lethal Legacy
extravagante Hobbys heran, wie zum Beispiel die seltenen Bücher, an denen Astor so großen Gefallen fand. Und Hunt besaß die Intelligenz, in die Fußstapfen seines Mentors zu treten.«
»Klingt phänomenal für einen Jungen, der als Stallbursche angefangen hat«, sagte ich.
»Astor zog sich aus dem Pelzhandel und dem Großteil seiner Unternehmungen zurück, um sich ganz auf den Grundstücksankauf in Manhattan zu konzentrieren und mit allen Mitteln über die Stadtgrenze hinaus immer weiter nach Norden vorzustoßen. Sein Geniestreich war, nie etwas weiterzuverkaufen, sondern seine Besitzungen zu vermieten. Jasper Hunt eiferte ihm nach, aber seine Gier verleitete ihn dazu, es auf die Spitze zu treiben.«
»Inwiefern?«, fragte Battaglia.
Gibson lehnte sich zurück. »Durch das Pelzgeschäft
kam John Jacob Astor weit herum, er reiste in den Pazifischen Nordwesten und nach China, wo er und seine Partner nicht nur mit Fellen, sondern auch mit Tee und exotischen Hölzern handelten. Bis er begann, tonnenweise türkisches Opium zu kaufen und nach China zu verschiffen, um es von dort aus nach Amerika zu schmuggeln.«
»Ich wusste nicht, dass Astor in den Opiumhandel verstrickt war«, sagte ich.
»Klugerweise war er es nicht sehr lange. Aber weil sich damit enorm viel Geld machen ließ, brachte Jasper Hunt es im Gegensatz zu Astor nicht über sich, die Finger davon zu lassen. Selbst Hunt junior mischte noch eine Zeit lang mit im Schmuggelgeschäft.«
»Und die Büchersammlung?«, fragte ich.
»Die New York Public Library war vom ersten Tag der Eröffnung an ein riesiger Erfolg. Leute wie die Hunts, die zunächst noch über ihre Teilnahme unschlüssig gewesen waren, begannen ihre Entscheidung zu überdenken.«
»Können Sie mir noch Kaffee nachschenken, Alex? Meiner ist kalt«, sagte Battaglia.
Ich stand auf und winkte ab, als Gibson die Augenbrauen hochzog. »Er meint es nicht persönlich. Er würde das Gleiche von meinen männlichen Kollegen verlangen.«
»Du weißt so viel, Jill«, sagte Battaglia. »Wahrscheinlich weißt du auch, welches Buch am Eröffnungstag als Erstes bestellt wurde.«
»Ein junger Einwanderer kam und wollte ein Buch über Tolstoi in russischer Sprache. Es war nicht das, womit man gerechnet hatte, aber es zeigte die kulturellen Veränderungen in der Gesellschaft. Die Bibliothek
ist wirklich die Seele der Stadt«, sagte Gibson. »Ich arbeite unheimlich gern dort.«
»Ich nehme an, dass Jasper Hunt jr. sich der Situation gewachsen zeigte«, sagte ich.
»Es ereignete sich zweierlei, Alex. Innerhalb von zehn Jahren wurde aus der Bibliothek eine der wichtigsten Forschungseinrichtungen weltweit. Die Sammlung vergrößerte sich auf über eine Million Bände. Im Jahr 1917 zog sich der Stahlmagnat Andrew Carnegie aus dem Geschäftsleben zurück, um sich fortan ganz seinem philanthropischen Wirken zu widmen - seinem ›Evangelium des Reichtums‹, wie er es nannte. Er wollte sein Geld noch zu Lebzeiten für gute Zwecke stiften. Für ihn waren Bibliotheken das Beste, was man einer Gemeinde schenken konnte, und so versprach er im selben Jahr, fünfundsechzig Zweigbibliotheken zu errichten, vorausgesetzt, die Stadt kümmerte sich um deren Instandhaltung. Unglaublich, oder?«, fragte Gibson. »Carnegies Plan führte zur Errichtung von mehr als zweitausendfünfhundert Bibliotheken in der englischsprachigen Welt.«
»Und da stieg Junior endlich ein«, sagte Battaglia.
»Ja. Mit der väterlichen Rara-Sammlung und seiner eigenen Büchersammlung, die er im Laufe seines Lebens kontinuierlich vergrößerte. Die Hunts haben gute Gene und werden sehr alt«, sagte Jill. »Junior starb 1958, mit weit über achtzig. Er hoffte, sich durch seine Besitztümer eine Mitgliedschaft im Kuratorium erkaufen zu können. Aber dazu kam es nie.«
»Jasper III. hat es schließlich geschafft«, sagte Battaglia. »Der alte Knabe mischt immer noch mit.«
»Die Familie hatte sich aus dem Schmuggelgeschäft zurückgezogen und der Bibliothek ein paar Millionen Dollar gespendet, bis ihre Mitglieder dann in den
1920er-Jahren zu vorbildhaften Musterbürgern geworden waren«, sagte Jill.
»Was ist mit Tally?«, fragte Battaglia. »Kommt er gut mit seinem Vater aus?«
»Im Konferenzraum zeigt sich jeder von seiner besten Seite«, sagte Jill. »Die wahren Intrigen spielen sich außerhalb der Bibliotheksmauern ab.«
Als ich Kaffee nachschenkte, konnte ich den Blick nicht von dem kleinen Farbfoto rechts neben Battaglias Hand wenden. Es
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