Tödliches Vermächtnis - Lethal Legacy
nicht so viel Spaß zu machen wie uns. Jedenfalls nicht in letzter Zeit.«
»Haben Sie sie diese Woche gesehen?«
Lucy überlegte kurz, dann nickte sie. »Zweimal. Tina war zweimal hier. Das erste Mal am Montagvormittag. Ich weiß es noch genau, weil ich überrascht war, sie zu sehen. Sie arbeitete für so einen reichen Typen - einen Engländer, glaube ich - und wollte ein paar Werkzeuge holen.«
Das war der Tag vor dem Überfall in ihrer Wohnung.
»Und am Mittwochabend. Ja, am Mittwoch. Sie kam, als ich gerade gehen wollte. Aber das wissen Sie ja, Jill.«
»Wie bitte? Warum sollte ich das wissen?« Jill wirkte überrascht.
»Tina hatte gesagt, sie sei mit Ihnen verabredet. Sie hätten sie gebeten, in Ihr Büro zu kommen. Sie wirkte deswegen sehr nervös.«
»Das habe ich Ihnen erzählt, Alex. Ich … ich wollte mit ihr sprechen, aber sie kam nicht«, sagte Jill zu mir. »Ich wollte mich nur vergewissern, dass es ihr gutging nach … nach dem Einbruch am Dienstag.«
»Sie war jedenfalls noch hier, als wir anderen um kurz nach fünf gingen«, sagte Lucy.
Ich wurde aus Jill Gibson einfach nicht schlau. Ich hätte ihr gern vertraut, aber das fiel mir schwer, nachdem sie die Informationen immer nur häppchenweise preisgab.
»Können Sie mir erklären, woran Sie in letzter Zeit gearbeitet haben?«, fragte Mike. Er wollte, dass Lucy sich etwas entspannte, bevor er noch einmal ihr letztes Treffen mit Tina ansprach.
Lucy wartete, bis Jill ihr zunickte. »Natürlich. Wie Sie an diesem Tisch dort sehen können, restauriere ich gerade ein Exemplar der Unabhängigkeitserklärung.«
Mike war in Sekundenschnelle am Tisch und beugte sich über das Dokument. »Ist das Jeffersons Handschrift?«
»Ja, eins von zwei noch existierenden Exemplaren. Außerdem habe ich in dem letzten Brief von Keats an Fanny Brawne einen Riss ausgebessert.«
Ich versuchte die Worte zu entziffern, die der in Rom im Sterben liegende Dichter seiner Geliebten in London geschrieben hatte.
»Meistens arbeiten wir an einem Dutzend Sachen gleichzeitig. Heute muss ich mich um die Schmutzflecken auf dem Manuskript von Native Son kümmern.«
»Schmutzflecken?«, fragte ich.
»Wasserflecken. Ich muss versuchen sie zu entfernen. Am häufigsten haben wir es mit Stockflecken zu tun. Schimmel. Er entsteht, wenn Eisenoxide auf das Papier gelangen und durch Feuchtigkeit aktiviert werden.«
»Mir leuchtet ein, warum Sie das gern machen«, sagte ich. »Die Arbeit ist bestimmt nicht einfach, aber ich beneide Sie darum, jeden Tag von diesen Schätzen umgeben zu sein. Und die anderen Restauratoren?«
»Eine Kollegin dort drüben macht gerade neue Passepartouts für Drucke des sechzehnten Jahrhunderts, und ein anderer ersetzt die kaputten Bucheinbände. Sehen Sie das?«, fragte Lucy. »Haftnotizen bringen mich noch ins Grab.«
»Warum denn das? Ich könnte ohne sie nicht leben«, sagte ich. »Ich würde die Hälfte der Sachen, die ich erledigen muss, vergessen.«
»Was sie festhält, sind Haftkügelchen, die beim Aufkleben zerplatzen. Der Klebstoff ist stärker als das Papier und frisst sich durch das Papier und macht es durchscheinend, wenn man die Notiz zu lange kleben lässt. Das ist ein Dauerproblem für uns. Einerseits haben wir die spannende Aufgabe, historisch bedeutsame Dokumente zu retten, andererseits müssen wir auch ganz banale, alltägliche Schäden reparieren, die auf die Achtlosigkeit der Leser zurückgehen.«
»Was hat Tina getan?«, fragte Mike.
»Als sie noch hier angestellt war, die gleichen Sachen wie wir«, sagte Lucy. »Woran sie zuletzt gearbeitet hat, weiß ich nicht. Sie durfte die Werkstatt benutzen, wenn jemand von den Festangestellten hier war - weil sie für einige Hauptstifter der Bibliothek als Beraterin arbeitete.«
»Hatte sie auch mit Landkarten zu tun? Oder mit Atlanten?«, fragte Mike.
»Hin und wieder. Sie arbeitete gern mit Karten. Sie war sehr begabt.«
»Auch in letzter Zeit? In den letzten Wochen?«
»Nein, da bin ich ganz sicher.«
»Warum?«
»Weil es mir aufgefallen wäre. Alte Karten sind so schön und optisch beeindruckend - das wäre hier jedem von uns aufgefallen.«
»Wo arbeitete Tina?«
»Wo gerade ein Tisch frei war. Es hing auch davon ab, woran sie arbeitete.«
Mercer interessierte sich mehr für die Werkzeuge, die an den Wänden hingen oder auf Regalen über den Arbeitsplätzen in Kaffeebechern gruppiert waren. »Was machen Sie damit?«
Lucy lockerte ihren Schal und öffnete den obersten Knopf
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