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Tödliches Vermächtnis - Lethal Legacy

Titel: Tödliches Vermächtnis - Lethal Legacy Kostenlos Bücher Online Lesen
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ihrer Bluse. Beim Anblick ihres nackten Halses musste ich an die tiefe Wunde denken, die Tina Barrs Leben beendet hatte. Kein Wunder, dass Mercer die Auswahl an Messern genauer unter die Lupe nahm.
    »Sie meinen die Werkzeuge?«
    »Ja.«
    »Jeder von uns hat ein Set, Mr Wallace.« Lucy ging zu ihrem Tisch in der nächsten Nische. »Jeder Restaurator macht sich seine Werkzeuge selbst, passend zum Arbeitsstil, zur Größe der Hände, zu unserer Arbeit. Meine sind hier drüben.«
    Sie nahm einen elfenbeinfarbenen Gegenstand in die Hand. Er hatte etwa die Länge eines Lineals, aber ein spitz zulaufendes Ende. »Das hier ist ein Falzbein. Es wird aus Rinderknochen gemacht.«

    So viel zum kultivierten Beruf einer Bücherrestauratorin - tierische Leime und Leichenteile.
    »Ich habe es in einem Geschäft für Künstlerbedarf gekauft, dann geschliffen und gebrannt, bis es genau die Form hatte, mit der ich gern arbeite.«
    »Wozu wird es verwendet?«, fragte ich.
    »Es ist unglaublich vielseitig. Leder wird bei Feuchtigkeit brüchig, wenn ich also mit alten Einbänden arbeite, streiche ich damit das Leder glatt. Oder ich kann damit bei einem Wasserschaden die feuchten Buchseiten umblättern.«
    Lucy zeigte mit der Spitze des Falzbeins der Reihe nach auf ihre Gerätschaften. Über ihrem Kopf waren Einmachgläser und Kaffeetassen mit verschiedenen Haushaltsutensilien und Künstlerwerkzeugen: Kugelschreiber, Bleistifte und Pinsel, Pinzetten und Zahnstocher.
    In einer großen Plastikwanne auf ihrem Regalbrett lagen mehrere Dutzend Messer in allen Größen. »Warum so viele Messer?«, fragte ich.
    »Sie sehen aus wie Waffen, nicht wie Werkzeuge«, sagte Mike. »Sind sie scharf?«
    »Und wie.« Lucy reichte Mike eins der Messer. »Aber sie müssen so scharf sein. Wir sind ständig beim Schneiden - feines Papier ebenso wie Lederzuschnitte für die Einbände.«
    »Mercer, schau dir mal die hier an«, sagte Mike.
    Lucy beschrieb, wozu sie verwendet wurden. »Das hier sind Schärfmesser und mit diesen Skalpellen schnitze ich feine Linien. Und das sind Hautmesser mit den dazugehörigen Klingen.«
    »Hautmesser?«
    Lucy hielt inne und lächelte mich an. »Präparatorenwerkzeuge. Zum Häuten von toten Tieren. Man
kann damit die obere Hautschicht abziehen, ohne das Fleisch zu verletzen. Das gilt auch für Bucheinbände. Und das hier sind Zuschneidemesser.«
    »Darf ich mir eins ansehen?«, fragte Mike.
    »Sicher.« Lucy streckte sich, um eins aus der Tasse zu nehmen.
    Das Messer mit einer geschliffenen Stahlklinge und einem Holzgriff war etwa fünfzehn Zentimeter lang. Mike testete mit dem Daumen die Schnittkante. »Nicht übel.«
    Er reichte es Mercer, der die abgeschrägte Klinge betrachtete. »Wir sollten ein paar davon in die Gerichtsmedizin mitnehmen. Sie müssten einen ziemlich charakteristischen Schnitt haben.«
    »Wurde Tina …?« Lucy konnte den Satz nicht zu Ende sprechen.
    »Wir wissen noch nicht genau, was mit ihr passiert ist«, sagte Mike. »Wir versuchen nur, der Gerichtsmedizinerin zu helfen. Hat Tina ihre Werkzeuge auch hier aufbewahrt?«
    »Zum Teil«, sagte Lucy. »Sie sind hier nebenan.«
    Wir folgten ihr an den Tisch, an dem Tina gearbeitet hatte. Sie hatte ihren Arbeitsplatz perfekt aufgeräumt hinterlassen. Sie hatte weniger Platz - und auch weniger Werkzeuge - als Lucy, aber Tina hatte ja auch nur einen Teil ihrer Zeit in der Bibliothek verbracht.
    »Können Sie uns sagen, ob Messer oder Skalpelle fehlen?«, fragte Mike.
    »Ich habe keine Ahnung. Jeder von uns hat seine Sachen und hütet sie wie seinen Augapfel. Wenn ich morgens einen Blick auf mein Regal werfe, kann ich Ihnen sofort sagen, wo was ist. Aber das hält jeder Restaurator anders, und wir rühren nie das Werkzeug der anderen an.«

    »Wie steht’s mit Besuchern?«, fragte Mercer. »Hatte Tina Besuch, wenn sie hier war?«
    Lucy überlegte ein paar Sekunden. »Als sie noch hier angestellt war, kamen natürlich immer wieder Leute aus anderen Abteilungen vorbei, um ihre Wünsche zu äußern oder um einfach eine Pause zu machen. Aber in letzter Zeit? Auch nur das Übliche. Kuratoren, die Projekte in Auftrag geben oder uns bitten, einen Auftrag vorrangig zu behandeln. Manche von ihnen haben Tina gekannt und mit ihr geplaudert.«
    »Kamen auch Besucher, die nicht zur Bibliothek gehören?«
    »Ich kann mich nur an eine Person erinnern, die vor einigen Wochen hier war.«
    »Wissen Sie, wer das war?«, fragte Mike.
    »Eine Frau. Aber ich kannte sie

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