Toedliches Versprechen
leeren Raum, wenn es sein musste. Die Menschen neigten dazu, den schlurfenden Hausmeister mit dem gesenkten Blick zu ignorieren. Kaum waren sie an ihm vorbeigegangen, vergaßen sie ihn auch schon wieder. Gemächlich verschaffte er sich einen Überblick über die Betriebsamkeit der Notaufnahme, immer darauf bedacht, von den Sicherheitskameras nicht erfasst zu werden. Die Nacht war perfekt für sein Vorhaben. Er zog Latexhandschuhe über und knackte das Schloss eines Medikamentenschranks. Er nahm die Anzahl Packungen eines Psychopharmaka heraus, dessen Fehlen auffallen würde. Dann platzierte er den roten Kugelschreiber, der normalerweise in der Brusttasche von Nadines Arztkittel steckte, in dem halb leeren Fach. Zufrieden mit sich versteckte er die Medikamente hinten in Nadines Spind. Die Gummihandschuhe schnappten leise, als er sie von seinen Fingern zog. Er schob sie in seine Hosentasche und schlenderte aus dem Krankenhaus, ohne auch nur von einer einzigen Person wahrgenommen worden zu sein.
*
November 2001
Nadine hatte bereits in den Semesterferien angefangen, zuzunehmen. Wahrscheinlich dachte sie, er würde sich nicht mehr für sie interessieren, wenn sie sich veränderte. Dachte sie wirklich, er war dermaßen oberflächlich? Tja, Pech. Das änderte nichts.
Allerdings ließ ihr Verhalten ihm gegenüber sein Verständnis mehr und mehr bröckeln. Er hatte wirklich lange Rücksicht auf sie genommen. Aber genug war genug. Sie gab sich zickig wie eine adlige Jungfer vor der Hochzeitsnacht. Die Vorhänge vor ihrem Fenster waren nachts immer geschlossen. Wenn sie ihn abends in der Nähe des Wohnheims sah, verließ sie ihr Zimmer nicht und meldete sich im Peaches krank. Natürlich war das nicht lange gut gegangen. Ihr Boss hatte schnell die Nase voll von ihrer Unzuverlässigkeit und schmiss sie raus. Griffin konnte sich vorstellen, dass das ihrer Situation nicht gerade zuträglich war. Sie studierte mit einem Stipendium und war sicher auf das Geld angewiesen. Aber wenn sie sich dermaßen über ihre kleinen Begegnungen aufregte, geschah es ihr recht. Sein Mitleid hielt sich in Grenzen.
Sie hatte das Schloss an ihrer Tür auswechseln lassen. Schlappe dreitausend Dollar waren nötig gewesen und Griffin hielt seinen neuen Schlüssel für ihre Wohnung in der Hand.
Während sie sich immer mehr zurückzog, konnte er zusehen, wie ihr Freundeskreis schrumpfte. Gut, vielleicht gab ihr das ja zu denken. Vor ein paar Tagen hatte er in der Bibliothek ein geflüstertes Gespräch zwischen ihr und zwei Kommilitoninnen belauscht. Während die eine ihr vorwarf, sie bilde sich nur ein, von ihm verfolgt zu werden, beharrte die andere darauf, wie gern sie sich von ihm umwerben lassen würde. Er war ein heißer Typ und sie könne froh sein, mit ihrer neuen Figur überhaupt noch interessant für einen Mann zu sein. Sie wies ausgerechnet den Mann ab, den alle anderen Frauen auf dem Campus mit Kusshand nehmen würden. Er konnte den Studentinnen nur recht geben. Wenn auch nur eine von ihnen interessant genug gewesen wäre, hätte er Nadine liebend gern ersetzt. Aber zunächst musste sie ihre Lektion lernen. Er ließ sich nicht länger von ihr an der Nase herumführen. Er wollte endlich zur Sache kommen, und er verzehrte sich nach ihr. An einem regnerischen Donnerstagabend, als er einmal mehr im Eichenwäldchen hinter ihrem Wohnheim stand und nur auf die zugezogenen Vorhänge starren konnte, zog er sein Handy aus der Tasche und wählte ihre Nummer. Er musste wenigstens ihre Stimme hören, diesen leicht rauchigen Klang, der seine Fantasie beflügelte. Sie sagte nur ein paar Mal »Hallo« und legte auf. Einen Moment stand er andächtig in der Dunkelheit und lauschte den Worten nach. Dann wählte er ein zweites Mal.
14.
H annah blinzelte in die Kissen in Joshs großem Bett. Sie konnte den Kaffee bereits riechen, bevor der Mann, der ihr eine weitere Nacht voller Feuerwerk beschert hatte, mit der dampfenden Tasse im Türrahmen auftauchte. Er trug Jeans und ein T-Shirt. Seine Haare waren noch feucht vom Duschen und seine Füße nackt.
Als er sah, dass sie wach war, schenkte er ihr ein Grinsen und schlenderte auf ihre Seite des Bettes. Die Tasse stellte er vorsichtig auf dem Nachttisch ab, bevor er zu ihr ins Bett glitt und sie für einen vielversprechenden Kuss an sich zog. »Guten Morgen. Ich wollte dich eigentlich mit dem Kaffee wecken. Aber so ist es noch besser.« Seine Hand glitt über ihren nackten Körper und
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