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Tödliches Wasser: Roman (German Edition)

Tödliches Wasser: Roman (German Edition)

Titel: Tödliches Wasser: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Qiu. Xiaolong
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er einen grauhaarigen Mann neben Chen auf dem Ledersofa sitzen. Vor den beiden auf der Marmorplatte des Couchtischs stand ein Strauß Nelken in einer Kristallvase.
    »Das ist Genosse Qiao, der Direktor des Erholungsheims«, sagte Chen, ohne für Mi und Huang aufzustehen.
    Huang kannte Qiao als Lokalprominenz aus der Zeitung. Bei Oberinspektor Chen musste man auf alles gefasst sein , das hatte Huang mittlerweile gelernt. Mi konnte ihr Erstaunen angesichts der beiden Berühmtheiten jedoch nicht verbergen. Sie musste Qiao schon begegnet sein, wenn auch unter anderen Umständen.
    »Darf ich vorstellen, Mi? Das ist Oberinspektor Chen Cao. Ein Abgesandter aus Peking. Genosse Parteisekretär Zhao, der pensionierte Leiter der Disziplinarbehörde der Partei in Peking, hat mich mehrfach persönlich wegen des Aufenthalts von Oberinspektor Chen angerufen. Es ist uns eine Ehre, ihn als Gast im Erholungsheim zu haben.«
    Qiaos Ausdrucksweise war nicht weniger befremdlich. Was die Kaderhierarchie betraf, war er Chen eigentlich übergeordnet und müsste nicht solche Unterwürfigkeit an den Tag legen. Dennoch ließ Chen sich das widerspruchslos gefallen.
    »Und für mich ist es eine Ehre, mit ihm arbeiten zu dürfen«, schob Huang nach, der vermutete, dass die Szene abgesprochen war, auch wenn er sich den Grund dafür nicht erklären konnte. Bislang hatte Chen immer versucht, möglichst unauffällig zu bleiben, und bezüglich des Falls ausschließlich mit Huang gesprochen.
    »Polizeimeister Huang dürfte Ihnen ja bekannt sein, Mi. Den brauche ich nicht vorzustellen«, sagte Chen und fügte in herablassendem Ton hinzu: »Ein vielversprechender junger Beamter. Er fungiert als mein Assistent vor Ort.«
    »Wieso? Aber ich dachte …« Mi hatte jetzt völlig die Fassung verloren, ihr Blick wanderte von einem zum anderen, bevor er schließlich flehentlich an Qiao hängenblieb.
    Auch der Direktor schien nicht weiterzuwissen; er rutschte nervös auf dem Sofa hin und her und sah Chen fragend an.
    »Sie können uns jetzt allein lassen, Qiao«, beschied Chen ihn knapp. »Und bitte sorgen Sie dafür, dass wir nicht gestört werden.«
    »Aber selbstverständlich, Oberinspektor Chen. Wenn ich sonst noch etwas für Sie tun kann?« Qiao verbeugte sich im Hinausgehen. »Die Heimleitung steht zu Ihrer Verfügung.«
    Chen bedeutete Huang, Mi einen Sessel anzubieten, begann aber nicht gleich zu sprechen, als sie sich gesetzt hatte. Er nahm eine Zigarette aus einem geprägten Silberetui, zündete sie an und wedelte mit dem Streichholz demonstrativ in der Luft herum, bevor er es in den Aschenbecher fallen ließ. Huang stand steif wie eine Bambusstange neben ihm.
    Das Schweigen wurde immer quälender.
    »Aber so setzen Sie sich doch«, sagte Chen zu Huang und klopfte neben sich auf das Sofa.
    Huang ließ sich wie ein dienstbarer Untergebener stumm auf der Kante des Polsters nieder.
    Schließlich hielt Mi es nicht länger aus und fragte irritiert:
    »Was wollen Sie von mir?«
    »Nun, neben meiner Arbeit als Polizist bin ich auch Dichter«, begann Chen, ohne auf ihre Frage einzugehen, und reichte ihr zwei Visitenkarten. »Und wissen Sie was? Als ich Sie das erste Mal in der Fabrik sah, fielen mir unwillkürlich die klassischen Zeilen ein: Auch ich kann nicht anders, als Mitleid empfinden mit solcher Schönheit. «
    Das klang kokett, war aber keineswegs so gemeint, wie Huang bald erkannte. Es war eher als Warnung zu verstehen.
    »Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen, Ober…«
    »Oberinspektor Chen«, ergänzte Huang mit einem Seitenblick auf die Visitenkarten in ihrer Hand. Die erste wies Chen als Polizist aus, die zweite als Mitglied des Schriftstellerverbandes und des Shanghaier Volkskongresses.
    »Mein Erholungsaufenthalt hier ist nur ein Vorwand«, begann Chen. »Sie können sich sicher denken, weshalb ich heute mit Ihnen reden möchte.«
    »Vermutlich über den Mord an Liu, aber Jiang ist doch bereits verhaftet worden, oder?«
    »Sie sind gut informiert, Mi.«
    »Warum wollen Sie dann noch mit mir reden?«
    »Weil ich verhindern möchte, dass eine schöne Frau wie Sie in Schwierigkeiten gerät«, sagte Chen eindringlich, »wegen etwas, was sie nicht verschuldet hat.«
    »Ich kann Ihnen nicht folgen, Oberinspektor Chen.«
    »Bei Mordfällen erscheinen die Dinge oft sehr komplex, doch sobald man sich in die Perspektive des Täters versetzt, klärt sich das Bild«, dozierte Chen, während der Zigarettenrauch in Spiralen zwischen seinen Fingern aufstieg.

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