Töte, Bajazzo
haben kommen lassen.«
Er winkte ab.
»Wollen Sie darüber nicht reden?«
»Nein.«
»Okay, akzeptiert. Aber Sie sollten auch mich verstehen. Ich sitze hier neben ihnen in einer einsamen Landschaft am Stadtrand von Mailand und warte darauf, daß etwas geschieht. Sie haben mir eine Spur zeigen wollen, nur merke ich jetzt, daß Sie – pardon, wenn ich das sage – nicht mehr so kompetent sind.«
»Meinen Sie?«
»Ja. Das muß ich annehmen, wenn ich Ihre Erklärungen richtig deute.«
Er schwieg, bewegte seine Stirn, kaute, obwohl er nicht aß. Dann schleuderte er die Zigarette weg, zündete sich keine neue an, sondern umkrampfte das Lenkrad mit beiden Händen und beugte sich nach vorn.
Er schaute durch die Frontscheibe, betrachtete einen Baum, der in der Nähe stand und das meiste Laub aus seiner mächtigen Krone verloren hatte. Es lag auf dem Boden und bildete einen Teppich.
»Sehr lange reicht meine Geduld nicht mehr«, warnte ich ihn.
Santini hob die Schultern. »Das kann ich mir vorstellen, Mister Sinclair. An Ihrer Stelle würde es mir kaum anders ergehen. Ich hatte Ihnen vorhin schon gesagt, daß ich lange in Äthiopien lebte und mich für gewisse Dinge interessiert habe, von denen ich besser die Finger gelassen hätte. Ich wurde ja ausgewiesen und arbeitete bei einer Behörde hier in meinem Mutterland.«
Das war auch schwammig, denn Behörden können alles mögliche sein.
Ich wußte das aus Erfahrung. »Reden Sie ruhig weiter.«
»Im nachhinein muß ich sagen, daß ich Glück gehabt habe, Mister Sinclair, großes Glück.«
»Inwiefern?«
»Daß ich noch lebe.«
Ich räusperte mich und mußte schlucken. Übertrieb er? Wollte er Mitleid erregen? Was er mir gesagt hatte, war zu wenig, und selbstverständlich fragte ich nach. »Was haben Sie denn getan?«
»Mich zu tief hineingehängt. Ich habe gewisse Dinge an die Öffentlichkeit gebracht. Ich habe die Bundeslade wieder ins Gespräch gebracht, und das wollten einige Personen nicht.«
»Wer?«
»Es gibt da einen Geheimbund, der verhindern möchte, daß sich Fremde einmischen. Männer, die genau wissen, wie gefährlich es ist, mit diesen alten Dingen zu spielen. Der Bund besteht seit vielen Jahrhunderten.«
»Sie haben mich neugierig gemacht.«
»Das genau ist Ihr Fehler, Mister Sinclair.«
»Aha«, sagte ich. »Jetzt kommen wir der Sache schon näher.«
Santini holte geräuschvoll Luft. »Ja, Sie haben recht, wir kommen der Sache näher, aber sie wird dadurch nicht besser oder klarer, das möchte ich Ihnen sagen.«
»Was ist denn passiert?«
»Ich möchte Ihnen sagen, daß man sich vor diesem Geheimbund nicht verstecken kann. Die Mitglieder sind sehr wohl in der Lage, Menschen aufzuspüren.«
»Auch hier?«
»Ja. Dafür bin ich das beste Beispiel. Sie haben mich aufgespürt, und sie haben mich vor die Wahl gestellt. Entweder Tod oder Reue.«
Ich schwieg. Daß unser Gespräch eine derartige Richtung einschlagen würde, hätte ich nicht vermutet. »Also haben Sie sich für die Reue entschieden, denk ich mal.«
»Sie haben richtig kalkuliert. Ich habe bereut. Aber dabei blieb es nicht. Ich mußte auch etwas tun, und ich habe mich entschlossen, ihnen zu gehorchen. Ich bin so etwas wie ihr Kundschafter geworden. Ich schaue und höre mich um. Und ich möchte die Menschen warnen, die sich in die Dinge einmischen, in die ich mich eingemischt habe.«
»So wie ich also.«
»Sehr richtig.«
Ich wurde nicht wütend oder drehte durch, aber ich ärgerte mich schon, denn um mir dies zu sagen, hätte er mich nicht zu dieser Nachtfahrt
›einzuladen‹ brauchen. Das erklärte ich ihm mit aller Deutlichkeit, was Santini nicht mal überraschte.
»Ich wußte, daß Sie so reagieren würden, Mister Sinclair. Es ist auch ganz natürlich, aber ich wollte mit Ihnen allein sein, denn ich brauche heute und jetzt von Ihnen eine Entscheidung. Nicht mehr und nicht weniger. Sie sind praktisch in der gleichen Situation wie ich damals.«
»Was wollen Sie genau?«
»Lassen Sie die Finger von der Bundeslade. Ich weiß, wer Sie sind, Mister Sinclair. Sie haben dermaßen viele Probleme, um die sie sich kümmern müssen, da sollte Sie die Lade nicht interessieren. Sie soll in Ruhe gelassen werden. Begreifen Sie das?«
Ich ließ mir Zeit und nickte dann.
Santini hatte die Bewegung falsch aufgefaßt. »Und? Haben Sie sich entschieden?«
»Noch nicht ganz. Ich möchte nämlich noch etwas dazu sagen, wenn Sie gestatten.«
»Das ist in Ordnung, bitte.«
»Wer immer
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