Töte, Bajazzo
weg von Mailand. Er würde toben, er würde einen Wutanfall nach dem anderen bekommen, das aber durfte sie nicht weiter stören, wenn es um ihr Leben ging Mirella stieg aus der Wanne, hüllte sich in den herrlich flauschigen Bademantel ein, und als ihr Körper trocken war, streifte sie das hauchzarte Nachtgewand über. Dann ging sie in den Schlafraum, wo das Zimmermädchen das Bett bereits aufgeschlagen hatte. Sie brauchte sich nur hineinzulegen und sich in die weiten Arme des Schlafgottes Morpheus zu begeben. Mit Schrecken dachte sie daran, daß sie noch packen mußte, doch auch dafür gab es einen Lösung. Sie bestellte per Telefon einen Butler, der ihr am Morgen die Koffer packen würde.
Eigentlich hätte sie beruhigt schlafen können. Sie drehte den Dimmer zurück, schaltete das Licht jedoch nicht ganz aus, denn im Dunkeln würde sie nicht einschlafen können, das wußte sie aus Erfahrung.
Auch Luxus konnte die Angst nicht vertreiben.
Wach blieb sie liegen. Immer wieder dachte sie über gewisse Dinge nach, und natürlich drängten die Ereignisse an die Oberfläche. So einfach ließen sich die Vorgänge nicht verdrängen, schließlich war sie ein Mensch und keine Maschine.
Warum war dieses traurige und gleichzeitig haßerfüllte Bajazzo-Gesicht im Spiegel erschienen? Warum gerade ihr und keiner anderen Person?
Das mußte einen Grund haben, und dieser Grund hing einzig und allein mit ihr persönlich zusammen. Sie war genau diejenige Person, um die sich alles drehte.
Was hatte sie getan?
Nichts, gar nichts. Sie war sich einfach keiner Schuld bewußt. Sie hatte niemandem etwas Böses gewollt, nur singen und spielen. Und plötzlich war aus einer anderen, unheimlichen Welt etwas hervorgestiegen, mit dem sie nicht zurechtkam.
Hier waren Alpträume zwar nicht wahr geworden, aber sie hatten schon Gestalt angenommen, und wieder rann ein kalter Schauer über ihren Körper, als sie daran dachte.
Der Tag war hart gewesen. Sie fühlte sich auch erschöpft. Auch das heiße Bad hatte für eine Phase der Müdigkeit gesorgt, und trotz ihrer seelischen Qual schlief sie ein.
Sie sackte plötzlich weg, als hätte man sie einfach in ein tiefes Loch fallen lassen. Ihre Beine zuckten noch, die Arme ebenfalls, dann war sie weg.
Schlaf, Ruhe, das tiefe Dunkel, aber nicht grundlos, denn in der Tiefe verbarg sich auch das Unterbewußtsein, das erst im Schlaf allmählich an die Oberfläche trieb und den Schläfer eben mit seinen Tränen belästigte.
Mirella Dalera bildete da keine Ausnahme. Nur spürte sie es nicht, was sich da anbahnte. Es war wie einen dicke Flüssigkeit, die in ihr hochkroch, ihre Seele umfing, sich in die Gedanken hineinstahl und für eine Unruhe sorgte.
Sie bewegte sich im Schlaf.
Der Körper zuckte, er drehte sich mal auf die rechte, dann wieder auf die linke Seite. Das weiche Licht der Lampe strich über das Bett hinweg, und es verlieh dem Gesicht einen sehr weichen Anstrich. Noch zeichneten sich die Auswirkungen der Träume nicht darin ab, aber die Augendeckel bewegten sich zuckend, ein Zeichen dafür, daß die Schlafende mit den Eindrücken zu kämpfen hatte.
Sie stöhnte leise. Speichel sprühte vor ihren Lippen. Sie hob mit einer fahrig anmutigenden Bewegung den rechten Arm, als wollte sie irgend etwas Störendes aus ihrer Nähe wegwischen.
Der Arm fiel wieder auf das Bett.
Mirella träumte weiter.
Sie schaute tief hinein in ihre Träume, aus denen sich etwas hervordrückte und allmählich auch in ihren Gesichtskreis hineingeriet.
Der helle Heck, das tanzende Etwas, eine zuckende Seele, so bleich und durchscheinend.
Ein Gesicht!
Sie erlebte es mit. Sie spürte als Schlafende den Druck, den dieses Gesicht ausübte. Druck und Angst…
Plötzlich verwischten sich bei der schlafenden Sängerin Traum und Realität. Sie wußte nicht mehr, was zusammengehörte, was sie nun erlebte. Ob sie sich weiterhin in der Traumwelt befand oder die realen Erinnerungen bereits ihre Fangarme nach ihr ausgestreckt hatten. Alles war so fremd geworden, so verflucht anders und nicht mehr das Gesicht stand im Mittelpunkt, jetzt drehte sich alles um sie.
Kräfte spielten mit ihrer Seele. Sie hörte im Traum die flüsternden Stimmen, die ihr so fremd und gleichzeitig bekannt vorkamen. Es waren die Stimmen der toten Freunde und Verwandten, die zu ihr sprachen, als wären sie aus dem Jenseits gestiegen, um mit ihr endgültig Kontakt aufzunehmen.
Rauhe, wispernde und rätselhafte Totenstimmen, die sie überfielen, und
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