Töte, Bajazzo
zwischen diesen akustischen Lauten tanzte das bleiche, maskenhafte Gesicht.
Der Clown, der Bajazzo, der Trauer und gleichzeitig Freude in sich vereinigte.
Zwei völlig konträre Pole.
Wie Alpha und Omega – wie Leben und Tod – wie die Geburt und das Sterben.
Das Gesicht blieb. Seine dunklen Augen ebenfalls und auch der breite Mund mit den schwarz oder grau geschminkten Lippen, der, zusammen mit dem Bart, die untere Gesichtshälfte einnahm.
Ein grausames, ein kaltes Lächeln. Die grinsende Fratze, das Wissen um Leben und Tod.
Aber auch das Lächeln.
Sie spürte, wie das Gesicht sie anstrahlte. Dennoch konnte Mirella keine Freude empfinden, weil die andere Seite des Lebens zu sehr überwog.
Sie kam nicht mehr damit zurecht, auch wenn das Gesicht jetzt lächelte und vor ihr tanzte.
Es wollte etwas von ihr, es benahm sich albern. Es machte Faxen, es verwandelte sich, es spitzte den Mund, und eine Sekunde später zog sie ihn wieder in die Breite als hätte jemand kräftig gegen zwei Schläuche gezerrt.
Die Lippen bewegten sich.
Es wollte sprechen, aber die Schlafende hörte auch in ihrem Unterbewußtsein keinen Laut. Der Kontakt blieb stumm und eigentlich nur auf die Augen beschränkt. Sie wiederum gaben ihr eine Botschaft mit auf den Weg, die böser nicht sein konnte.
Die Botschaft der Angst ließ die schlafende Frau zittern. Jetzt spürte sie mit aller Deutlichkeit, in welch einem Gefängnis sie sich befand. Sie kam nicht mehr weg, sie war und blieb gefangen, sie mußte sich diesem verfluchten Traum voll und ganz ergeben.
Schwarze Tränen rannen aus den Augen. Haß entstellte plötzlich die Züge, und urplötzlich erschien ein anderer Gegenstand. Er schwebte über dem Gesicht, glich einem Fallbeil, obwohl es nur ein Messer mit langer Klinge war.
Mirella hätte am liebsten geschrien, aber der Traum war stärker. Er erstickte den Schrei, nicht einmal ein Gurgeln verließ ihren offenen Mund.
Das Messer sauste nach unten.
Brutal und wuchtig schlug es in den Kopf hinein. Es spaltete das Gesicht in zwei Hälften.
Blut strömte hervor. Ein gewaltiger Schwall breitete sich zwischen dem Gesicht und der Träumenden aus, die von diesem schrecklichen Ende aus dem Schlaf gerissen wurde und hochjagte.
Bewegungslos blieb sie hocken. Ihr Herz schlug irrsinnig schnell. Sie spürte den kalten Schweiß unter den Achselhöhlen und auch sonst auf dem Körper verteilt. Das Zimmer tanzte vor ihren Augen, und die einzelnen Gegenstände bewegten sich mit.
Mirella hatte ihre Erinnerung verloren. In den folgenden Sekunden fand sie sich nicht zurecht. Ziemlich spät fiel ihr ein, daß sie sich in einem Hotelzimmer befand, daß sie allein war und den Schrecken nur in ihren Träumen durchlitten hatte.
Tatsächlich nur in den Träumen?
Sie konnte es nicht glauben, denn irgendwas hatte sie gestört, und Mirella schaute an ihrem eigenen Körper hinab.
Wie zuvor das Gesicht, so hatte sich auch bei ihr das Nachthemd in zwei Hälften zerteilt. Es war durch einen glatten Schnitt vom Hals her bis zum Bauchnabel hin aufgetrennt worden und zur Seite geklappt. In diesem Moment wurde ihr klar, daß es Zeiten gab, wo der Traum und die Realität miteinander verwischten und andere Mächte die Kontrolle über die Menschen übernommen hatten…
***
Die Hände waren hart wie Eisen und kalt wie Eis. Daß auf der Motorhaube eine Kreatur der Finsternis hockte, mußte ich zunächst einmal vergessen, denn Santini war ein Gegner, den ich keinesfalls unterschätzen durfte. Er hatte Reue gezeigt, und er wollte den anderen dies auch in der Praxis beweisen.
Mein Tod, durch ihn verursacht, würde ihn in der Hierarchie des Bösen steigen lassen.
Ich hörte ihn keuchen, schnaufen und ächzen. Er hatte sich zu mir hingebeugt, sein Kopf befand sich in meiner Nähe. Ich konnte direkt in sein Gesicht schauen, in dem ich sehr genau die Veränderung sah. Die Anstrengung, der Haß und der Wille, mich zu töten, hatten es zu einer totenkopfartigen Grimasse verkommen lassen, wobei die Augen noch tiefer in die Höhlen hineingedrückt zu sein schienen.
Niemand würde uns in dieser Einsamkeit stören. Seine Rechnung war bisher aufgegangen, und wenn es so weiterlief, dann schaffte er es auch, mich zu erwürgen. Seine Kraft hatte mich ziemlich tief in die Ecke gedrückt. Mit der Schulter berührte ich das Innenfutter der Tür, und ich versuchte so, einen Gegendruck zu erzeugen.
Es war nicht möglich.
Aber ich hatte die Hände frei.
Und sie führte ich außen an
Weitere Kostenlose Bücher