Töte, Bajazzo
an.«
Im Gegensatz zu mir sah Sir James die Aktion nicht als erfolglos an. Er stufte sie in die Schublade nicht zu unterschätzender Erfahrungswerte ein und gratulierte mir dazu, daß ich noch am Leben war.
»Danke, Sir.«
»Wie geht es weiter?«
»Ich habe da einen Toten hinterlassen. Das heißt, nicht ich, sondern diese Kreatur…«
»Dann wollen Sie, daß ich es ausbügle.«
»Wäre mir recht.«
»Ich werde schauen, was sich machen läßt. Gibt es sonst noch irgendwelche Probleme?«
»Vielleicht sollten sich die Kollegen mal um diesen Sergio Santini kümmern und sein Vorleben unter die Lupe nehmen. Vielleicht bringt uns das weiter.«
»Wird ebenfalls erledigt. Wann starten Sie?«
»Gegen Mittag.«
»Gut, ich lasse mir noch Zeit, bevor ich mit den Kollegen in Mailand rede.«
»Ja, danke. Und grüßen Sie die anderen von mir. Sie brauchen sich nicht zu ärgern, hier ist das Wetter auch nicht besser als in London.« Mit diesem klimatischen Abschiedsgruß legte ich auf. Danach schloß ich den Koffer und streifte mir die gefütterte Lederjacke über. Obwohl ich nicht gut und auch zu wenig geschlafen hatte, spürte ich ein gesundes Hungergefühl. Das Frühstück wollte ich nicht auf dem Zimmer zu mir nehmen, sondern in dem Raum, in dem ich nicht als einzelner saß.
Zudem gab es da noch eine gewisse Mirella Dalera. Von ihr wollte ich wissen, wie sie die letzte Nacht verbracht hatte.
Ich ließ mich mit dem Lift nach unten bringen. In der vornehmen Halle herrschte um diese Zeit mehr Betrieb, um den ich mich nicht kümmerte.
Ich betrat das Bistro, wo die Tische bereits für die Frühstücksgäste gedeckt worden waren.
Über Mailand lag eine matte Sonne. Das mochte an dem Dunst liegen, der die Stadt ebenfalls überzogen hatte. Er war aber nicht so stark, als daß ich nicht hätte starten können.
Das große Frühstück war eine Sünde wert. Zumindest für die Menschen, die schon am Morgen einen großen Appetit mitbrachten. Meinerhielt sich in der Mitte, und ich suchte mir zunächst am Büfett die frischen Croissants aus. Auf ein warmes Essen verzichtete ich, dafür nahm ich reichlich von der köstlichen Konfitüre.
Ich vermißte Mirella Dalera. Ich hatte geglaubt, sie hier zu treffen, es war zudem eine günstige Zeit, nicht zu früh und nicht zu spät, so aber saß ich allein genau an dem Tisch, an dem wir am Abend zuvor gesessen hatten. Sie kam nicht.
Dafür erschien ein Hotelpage. Er blieb in einem gewissen Abstand von mir entfernt stehen.
»Si?« sagte ich.
Der Page überreichte mir einen Brief. Er lag auf einem silbernen Tablett.
»Diese Nachricht ist für Sie hinterlassen worden, Signore Sinclair. Prego.«
»Danke sehr.«
Ich leerte erst die Tasse mit dem Kaffee, dann schlitzte ich den Umschlag auf. Ohne den Brief gelesen zu haben, wußte ich sofort, daß ihn nur Mirella geschrieben haben konnte, und als ich das Papier auseinander faltete, schaute ich zuerst nach unten.
Da stand tatsächlich ihr Vorname.
Etwas nervös war ich schon, und mir rann es heiß den Rücken hinab, als ich die Zeilen las.
Die Sängerin war regelrecht aus Mailand geflohen. Sie hatte die Stadt Hals über Kopf verlassen, und sie hatte mir auch mitgeteilt, wo sie sich aufhielt. Laut Brief war ich die einzige fremde Person, die es wußte. Der Ort lag weit im Süden, zwischen Napoli und Salerno. Er hieß Maiori.
Damit konnte ich für meinen Teil nichts anfangen, denn gehört hatte ich den Namen noch nie. Nur jetzt gelesen.
Die Angst hatte Mirella aus Mailand vertrieben, die Angst vor einer anderen Kraft, die stärker war als sie, und mit der sie überhaupt nicht zurechtkam, weil sie nicht kontrolliert werden konnte.
Und ich würde bald fliegen!
Der Bissen blieb mir beinahe im Hals stecken, als ich daran dachte.
Tatsächlich fliegen? Einfach verschwinden?
Ich schenkte Kaffee nach. Meine Bewegungen sahen so ruhig aus, und nichts wies auf eine innere Nervosität hin, die aber war zweifelsohne vorhanden. Ich kam mir vor wie jemand, dem das Schicksal die Tür spaltbreit geöffnet hatte. Nun lag es an mir, ob ich sie schloß oder sie ganz öffnete und hindurchging.
Ich las den Brief noch einmal durch und konzentrierte mich mehr auf die Handschrift. Nein, gestochen scharf sah sie beim besten Willen nicht aus. Die Frau, die die Zeilen geschrieben hatte, war sehr erregt gewesen.
Panik, Flucht vor dem Ungewissen. Grauen pur mußte Mirella überfallen haben, und mir wurde es immer kälter. Wenn ich jetzt keine Entscheidung zu
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