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Töte, Bajazzo

Töte, Bajazzo

Titel: Töte, Bajazzo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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durch die sie die anderen Reisenden sah, lesend, schlafend oder in Gespräche vertieft. Im letzten Abteil, am Wagenende, war die Gardine halb zugezogen.
    Mirella konnte trotzdem hineinschauen.
    Abrupt blieb sie stehen. Sie hatte dabei das Gefühl, in ein tiefes Loch zu fallen. In ihrem Kopf sprühten die Gedanken zu einem Feuerwerk auseinander. Sie wollte und konnte nicht glauben, was sie dort sah.
    Genau in der Mitte, zwischen Fenster und Tür, sah sie eine Gestalt.
    Es war der Bajazzo!
    ***
    Die Sängerin wollte handeln, aber sie konnte es nicht. Sie schaute einzig und allein auf diese Gestalt, die sie mit ihrem breiten Mund anlächelte und sie aus funkelnden Augen anstarrte. Es war das Gesicht!
    Aber nicht nur das Gesicht, es war auch die Bühnengestalt selbst, die dieses Abteil besetzt hielt und nur auf Mirella gewartet zu haben schien.
    Der Clown, der Bajazzo, trug die Kleidung, die auch auf der Bühne als Kostüm getragen wurde.
    Eine kittelartige Kutte in erdbrauner Farbe. Am Hals einen breiten Rundkragen, vergleichbar mit einer Chemisette. Darüber war das Gesicht.
    Ihr Gesicht!
    Das Gesicht, das sie gesehen hatte, das stets in einem Spiegel oder einer Scheibe tanzte. Es war nicht mehr allein. Sie erkannte, daß auch ein Körper dazugehörte.
    Er saß da und schaute sie an. Er neigte seinen Kopf vor, er machte ihr durch diese Geste und durch sein Lächeln klar, daß sie zu ihm kommen sollte. Seine dunklen Augen blitzten, die Brauen waren hochgezogen, die etwas klumpig wirkenden Hände schauten aus den Ärmelöffnungen hervor, aber sein Lachen war nicht echt. Es floß etwas auf Mirella zu, das ihr eine tiefe Angst einjagte. Für einen Moment schloß sie die Augen und schlug ein Kreuzzeichen.
    Als Kind hatte sie sich so aus schlimmen Träumen gerettet. Die Mutter hatte ihr dies geraten, und als sie die Augen wieder öffnete, um den Bajazzo zu sehen, da war er verschwunden.
    Der Sitz war ebenso leer wie das gesamte Abteil. Wieder einmal begriff sie nichts, gar nichts. Sie spürte nur, daß die Knie nachgaben und sie sich abstützen mußte. Mirella kam mit diesen Halluzinationen nicht mehr zurecht. Es ging einfach zu tief, und sie spürte auch, daß sie dem eigentlichen Ziel, der Aufklärung des Falles, immer näher kam. Der Bajazzo mußte unmittelbar mit ihr zu tun haben.
    Es gab eine Verbindung zwischen ihm und ihr. Darüber dachte sie auch dann nach, als sie einen freien Platz im Speisewagen gefunden hatte und ein Grappa zusammen mit dem Kaffee serviert wurde. Sie kippte den Grappa und spürte das Brennen in der Kehle. Das hatte sie so haben wollen, denn es zeigte ihr, daß sie noch lebte.
    Der Kaffee war heiß, und beinahe hätte sie sich daran die Lippen verbrannt. Sie trank, sie starrte ins Leere und spürte mehr als einen Schauer über ihren Rücken rinnen.
    Kälte und Hitze wechselten sich bei ihr ab. Wie Trauer und Lachen.
    Das ganze Leben war ein Spiel, eine Mischung aus Freude und Tod.
    Und ausgerechnet sie stand im Mittelpunkt. Warum?
    Diese Frage tobte durch ihr Hirn. Es mußte einen Grund geben. Trotz der bedrückenden Furcht versuchte Mirella, sich zu konzentrieren. Sie starrte gegen die kleine Tischleuchte, als könnte ihr das Licht dort eine Antwort geben.
    Die Lampe schwieg.
    Mirellas Gedanken rasten. Ihre Hände hatten ebenfalls eine Gänsehaut bekommen, im Kopf hörte sie die Musik der Oper, und etwas begann bei ihr zu klingen.
    Eine Saite, die bisher tief in ihr verborgen gewesen war. Ja, da war etwas gewesen. Es lag lange zurück, sie hatte es auch aus ihrer Erinnerung verbannt, nun aber lichtete sich der Nebel allmählich, ohne jedoch ein Bild zu zeigen.
    Er und sie hatten eine Menge gemeinsam, auch wenn sie vieles trennte.
    Mirella Dalera gab es nicht zu, aber sie wußte trotzdem, daß sie in ihrem Heimatort die Aufklärung finden würde. Das Schicksal hatte ihr den richtigen Weg gewiesen, und sie würde sich ihm in Maiori stellen müssen. Sie war auch bereit dazu, denn so konnte ihr Leben nicht mehr weitergehen. Es mußte eine Entscheidung herbeigeführt werden.
    Als sie sich dazu durchgerungen hatte, ging es ihr etwas besser.
    Trotzdem bestellte sie noch einen Grappa.
    ***
    Napoli, die Stadt am Meer!
    Was war alles darüber geschrieben und auch gesungen worden. Eine Stadt wie im Märchen, eine Stadt wie ein Alptraum, nicht nur weil der Vesuv, der Vulkan, in der Nähe war, ebenso Pompeji, die unter der Lava begrabene antike Stadt.
    Nein, dieser Ort war auch eine Hochburg der Mafia. Ein

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