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Toete John Bender

Toete John Bender

Titel: Toete John Bender Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vincent Voss
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Wort miteinander zu wechseln. Beide suchten nach den richtigen Worten.
    »Also, Tom, ich würde gerne abbrechen, und ich will, dass du weißt, dass es nichts mit diesem Wochenende an sich zu tun hat«, eröffnete Doris das Gespräch und jetzt, da sie es ausgesprochen hatte, fühlte sie sich wie befreit.
    Tom nickte, er sah sie an. »Und womit dann, wenn ich mal ganz indiskret sein darf?«
    Sie wich seinem Blick aus und sah auf das Meer. Sie hatte sich vorher dafür entschieden, es zu verschweigen, doch jetzt war sie sich unsicher. Zum einen – und das schätzte sie realistisch ein – war es Toms Art, Vertrauen zu erzeugen. Das war ein Bestandteil seines Berufs und in diesem war er sehr gut, und durch seine Mimik, seine Wortwahl, den Ort ihres Gesprächs konnte sie sich seinem Talent kaum entziehen. Zum anderen, was war, wenn sie recht hatte? Ihre Ahnungen hatten sie seit Joachims Unfall mehrmals getrogen, doch seither hatte sie auch nicht mehr so starke … Zeichen … empfunden. Sollte etwas geschehen und sie hätte Tom nicht gewarnt, wie hätte sie es verkraften können? Doris überwand ihre Angst, lächerlich zu klingen, und gab sich einen Ruck.
    »Es ist meine Ahnung, Tom«, sagte sie entschlossen.
    Er konnte seine Überraschung nur mühsam vor ihr verbergen und unterdrückte ein beherztes Auflachen. »Verstehe«, antwortete er reflexartig, um sich zu sammeln.
    »Obwohl, nein, ich verstehe nicht«, revidierte er seine Aussage. Er wollte wissen, was Doris mit meine Ahnung meinte.
    »Wie Vorahnungen, Tom. Manchmal tritt etwas ein, was in Zusammenhang mit den Bildern und Gerüchen steht, die ich vorab wahrgenommen habe, manchmal geschieht überhaupt nichts. Und ich weiß nicht einmal, ob ich das Geschehen irgendwie beeinflussen könnte. Jetzt habe ich ein sehr ungutes Gefühl und Kopfschmerzen bahnen sich an, die ein untrüglicher Begleiter meiner Ahnungen sind«.
    Tom überlegte, ehe er antwortete, und zündete sich die Zigarette an, die er eigentlich für das Gespräch mit Jens eingeplant hatte.
    »Also, wie soll ich sagen, Doris. Ich hätte dich so nicht eingeschätzt.«
    Kaum, dass er die Worte gesprochen hatte, verfinsterte sich ihre Miene.
    »Wie meinst du das: So nicht eingeschätzt? So wie eine Spinnerin, die den Weltuntergang predigt, und die mit einem wallenden Gewand ihren Freundeskreis missioniert? Meinst du das so, Tom?«, fuhr sie ihn an.
    »Ja, genauso meine ich das, Doris«, bestätigte er ihren Verdacht und nahm ihr mit diesem Eingeständnis den Wind aus den Segeln. Verblüfft sah sie ihn an und dann wieder auf das Meer.
    »Die schlimmste Ahnung, die ich je in meinem Leben hatte, sah den Tod eines geliebten Menschen voraus«, entgegnete sie verbittert.
    Tom musste nachdenken. Aberglauben war in Führungskreisen selten, aber nicht ungewöhnlich. Er hatte einmal ein Wochenende die Führungsriege eines Fußballbundesligisten gecoacht. Diese hatten feste, im Aberglauben verwurzelte Rituale in alltägliche, fußballspezifische Abläufe implementiert und schworen darauf. Aber jemand mit einer prophetischen Gabe war ihm noch nie begegnet, und es fiel ihm schwer, dieses Phänomen in sein vorherrschendes Weltbild zu integrieren. Zumindest bemühte er sich in diesem Fall.
    »Das tut mir leid, Doris. Und diese Vorahnungen betreffen dich und dieses Wochenende?«, fragte er.
    »Das weiß ich eben nicht«, antwortete sie verzweifelt. »Aber die … Eindrücke … mehren sich und ich finde es hier unheimlich.«
    Tom dachte nach. Sollte er das Thema vertiefen oder ihr einfach den Ausstieg anbieten? Er entschied sich für Letzteres.
    »Während wir gleich Wasser holen, wird Jens zu unserem Geheimversteck gehen, aber niemandem verraten.« Er grinste sie verschwörerisch an. »Dort haben wir CB-Funk und die ›Paloma‹ legt erst …«, er sah auf seine Uhr, »… in zwei Stunden ab. Andi kann dich dann noch abholen. In Ordnung?«
    Tränen schossen ihr in die Augen. Sie hasste es, so nah am Wasser gebaut zu sein.
    »Ja!«, schluchzte sie und fühlte sich erleichtert.
    »Komm, wir gehen wieder zurück«, beschloss Tom und streichelte ihr freundschaftlich über den Oberarm. Sie atmete tief aus, wischte sich die Tränen aus den Augen.
    »Ja!«, seufzte sie. Es war geschafft.
    Während Doris die Düne hinauf zum Lagerplatz lief, traf Tom sich mit Jens beim Boot.
    »Und?«, fragte Jens.
    »Hm«, antwortete Tom, klappte das Etui auf und steckte sich eine weitere ungeplante Zigarette an. »War irgendetwas komisch bei euch?

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