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Toete John Bender

Toete John Bender

Titel: Toete John Bender Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vincent Voss
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erraten, wie es euren Nachbarpalmen geht?«
    Tom horchte in sein Inneres und brachte sich als Palme in Position. Zwiegespalten! Mit einem Fuß grub er sich in den Sand, mit dem anderen Bein stand er zum Sprung bereit. Sein linker Arm reckte sich in die Höhe, sein rechter hing herab. Er sah sich um. Wolfgang stand breitbeinig, die Hände in die Hüften gestemmt. Tom hatte nicht mehr erwartet, Empathie war mit Sicherheit etwas, das nicht zu Wolfgangs Stärken gehörte. Sascha hielt seine Arme schützend über sich, Doris ebenso. Frederik breitete seine Arme aus, die Finger gespreizt. Jens erinnerte ihn an eine tatendurstige, kräftige Palme.
    Silvia. Silvia hielt ebenfalls ihre Arme ausgebreitet. Sie streckte die offenen Handflächen der Sonne entgegen.
    »Und?«, fragte Tom in die Runde.
    »Doris und ich suchen Schutz«, schlussfolgerte Sascha. »Wolfgang ist halt Wolfgang.«, erklärte er weiter.
    Wolfgang sah gespielt brüskiert an sich herab und grinste.
    »Silvia ist offen für Neues«, ergänzte Doris.
    »Und du siehst aus wie ein Kaktus«, sagte Wolfgang zu Frederik.
    Der nickte. »Gut erkannt, ich will mich auch verteidigen.«
    »Vor wem oder was willst du dich verteidigen?«, hakte Sascha nach.
    »Vielleicht vor diesem Typen auf der Insel«, antwortete Frederik, der als Einziger weiterhin in seiner Pose verharrte.
    »Welchen Typen?«, fragte Wolfgang.
    »Na, der Typ, der in den Dünen gezeltet hat, wo wir unser Lager aufstellen wollten. Oder der am See die Fische ausgeschlachtet hat«, sagte Frederik, verschwieg allerdings seine Begegnung mit dem Fremden und warf Tom einen wissenden Blick zu.
    »Ach, der …« Wolfgang zuckte abwertend mit den Schultern.
    »Also, ich kann das verstehen«, pflichtete Sascha bei. »Wie ich heute Morgen schon sagte, ich freue mich, finde ein paar Sachen aber irgendwie unheimlich. Und sollte sich im Nachhinein herausstellen, dass das von dir inszeniert wurde, Tom, dann mache ich echt Stress deswegen, das kannst du mir glauben.«
    »Pff, ehrlich. Da ist nichts inszeniert. Ich stehe ja selbst zwiegespalten vor euch. Auf der einen Seite bin ich irgendwie zum Sprung bereit, weil ich die Begegnung mit dem Fremden auf der Insel auch nicht angenehm finde, und eure Ängste und Befürchtungen verstärken das bei mir. Auf der anderen Seite freue ich mich auf den heutigen Tag mit euch und gehe gestärkt aus dem gestrigen.« Er blickte kurz zum Himmel, als könnte er dort weitere Worte finden. »Wir werden sehen, was der Tag bringt. Und alle, die sich fürchten – seid versichert, dass Jens und ich alles für eure Sicherheit tun werden.«
    Tom stellte sich in entspannter Haltung vor sie, schüttelte Arme und Beine aus. Erst folgten Silvia, Jens und Sascha seinem Beispiel, dann auch die anderen.
    »Gut, nun wisst ihr, wie man sich als Palme fühlen kann, aber ihr wisst noch nicht, wie gut man sich als Palme fühlen kann. Da sich sicher kein Freiwilliger für die nächste Übung finden wird, nehme ich …«
    »Doch, ich!«, unterbrach Silvia und trat auf ihn zu.
    Tom wusste darauf nichts zu antworten. Mit dieser Offensive hatte er nicht gerechnet. Aus den Augenwinkeln sah er Jens, der sich ein Lachen verkneifen musste. Er sammelte sich und fuhr fort: »Gut, äh, dann tut euch mal zu zweit zusammen und stellt euch hintereinander auf.«
    Er versuchte, Silvia möglichst professionell und leidenschaftslos umzudrehen, sodass sie mit dem Gesicht zur Gruppe stand. Ihr Lächeln, ihre Bereitschaft, all das verwirrte Tom. Warum tat sie das? Spielte sie weiter mit ihm oder war sie doch scharf auf ihn?
    Wolfgang hatte sich mit Doris zusammengetan. Tom schätzte, sie wäre lieber bei Sascha gewesen, doch Sascha bildete bereits mit Frederik ein Paar.
    »Der Vordermann ist eine Palme und steht mit beiden Füßen, also den Wurzeln, fest in der Erde. Genau so, Silvia, sehr gut. Die Palme schließt am besten ihre Augen, die Palmenwedel sind der Sonne zugewandt.« Er nahm Silvias Arme und hob sie an. Sie folgte seiner Bewegung. »Wir haben Sommer, die Palme steht fest verwurzelt auf einer einsamen Insel, ein kühles Lüftchen weht.« Tom streichelte an Silvias Schultern, ihren Oberarmen und ihrem Nacken entlang. »Sonnenstrahlen wärmen den Baum.« Sanft drück-te er verschiedene Stellen ihres Kopfes und kreiste mit den Fingern durch ihr Haar. Die anderen folgten seinem Beispiel. Wolfgang massierte Doris, Sascha Frederik.
    »Eine Schlange kriecht die Palme hoch und sucht nach einem Versteck …« Tom bückte

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