Toete John Bender
Griff. Frederik und Doris wirkten angeschlagen. Sogar Sascha hatte die Nacht nicht gut überstanden. Egal, heute würde ein guter Tag werden. Tom verschnaufte kurz und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Er sah auf das Meer hinaus, streckte den Rücken durch und schüttelte die Arme aus. Ein ungutes Gefühl beschlich ihn. Ähnlich hatte er sich gestern beim Bootshaus gefühlt. Er schrak auf und sah sich um. Wurde er beobachtet?
Tom spähte den Strand entlang, dann widmete er seine Aufmerksamkeit den Dünen. Von dort könnte ihn jemand in unauffälliger Kleidung und mit einem Fernglas sicher unbemerkt beobachten. Am Strand stand er sozusagen auf dem Präsentierteller.
Er ging ein paar Schritte auf und ab, analysierte seine Gefühle. Täuschte er sich? Er glaubte nicht. Konnte er dagegen etwas unternehmen? Nein, nicht wirklich! Tom blieb stehen, zündete sich eine weitere Zigarette an und reckte beide Mittelfinger ausgestreckt den Dünen und seinem vermeintlichen Beobachter entgegen.
»Drecksack!«, zischte er, stieß Rauch aus und fühlte sich befreiter. Was soll´s! Er rauchte die Zigarette auf und hob dann die Grube weiter aus. Schnell hatte er seinen Rhythmus wieder gefunden und versank in seiner Arbeit. Tief genug war die Grube mittlerweile. Mit dem Spaten verbreiterte er den Schacht und hob den Sand anschließend aus. Wer beobachtete ihn? Der Fremde!
TOD, JOHN. Tom erschauerte, als er an den Bunker denken musste. Krank, echt krank! Etwas irritierte ihn bei dem Gedanken. TOD, JOHN. Konnte das eine Botschaft für ihn gewesen sein? Er kannte keinen John . Aber vielleicht wurde einer seiner Teilnehmer bei diesem Kosenamen gerufen? Vielleicht galt demjenigen die Botschaft?
Nein, er war auf der falschen Fährte, das war es nicht. Ganz tief in seinem Inneren ahnte Tom die Bedeutung, konnte sie aber nicht greifen, nicht erkennen. Sie lag ähnlich versteckt in seinen Erinnerungen, wie der Bunker selbst verborgen im Wald lag. TOD, JOHN. Er schüttelte den Kopf und schnalzte mit der Zunge. Es lag greifbar nahe, aber er kam nicht darauf.
Er hielt inne. Jetzt war die Grube fast ein wenig zu breit geraten, so sehr hatte er sich in den Gedanken hineingesteigert. Es würde schon gut gehen. Tom zog die Schatztruhe zu sich heran und öffnete den ersten Deckel, dann das Schloss zum zweiten und zum dritten Fach. Er überprüfte die Botschaften, die er dort hinterlegen wollte, verteilte sie auf die Fächer und verschloss die Truhe. Was für ein Meisterwerk. Er hatte sie bei einem Schreiner anfertigen und die Schlösser bei einem Spezialisten für Alarmanlagen einbauen lassen. Alles war bestens vorbereitet, und dennoch war dies immer ein Meilenstein seines Coachings. Wenn ihm an dieser Stelle ein Fehler unterlaufen würde, wäre das Programm gescheitert.
Im Kopf ging er den Ablauf ein weiteres Mal durch. Der erste Hinweis forderte sie zum Milton-Konflikt-Gespräch auf. Es sollte sich danach das zweite Fach mit einem Hinweis zum Kooperationsspiel ›Flussüberquerung‹ öffnen. Wenn sie das überstanden hätten, gäbe es den dritten und letzten Hinweis auf die Schatzgeister. Er nickte. Alles war in Ordnung. Vorsichtig versenkte er die Truhe in der Grube, sah sich aus einem Gefühl heraus nach dem Fremden um und schüttete die Grube zu. Anschließend las er feinen Sand auf, verteilte diesen über der feuchten Erde um die Grube, bis keine verdächtigen Stellen mehr zu erkennen waren, und markierte die Stelle mit einem Stein. Er war mit sich zufrieden. Ein Blick auf den Horizont aber milderte seine gute Stimmung, denn der Himmel verdunkelte sich bedrohlich.
Tom stöhnte, sammelte den Spaten auf und lief zum Lager zurück.
***
D ie anderen hatten sich in den Dünen verteilt. Tom konnte sie von einer kleinen Erhebung aus sehen. Zwischen beiden Gruppen stand Jens wie ein Wächter. Warum auch nicht? Doris, Sascha und Frederik würde es Sicherheit geben. Tom lächelte. Er sah auf seine Uhr. Fünf vor Elf. Er hatte für alles ausreichend viel Zeit. Tom ging ins Zelt und suchte nach seiner Digitalkamera. Schon vom gemeinsamen Frühstück hatte er vergessen, Fotos zu schießen. Er öffnete die Tasche, in der er die elektronische Ausrüstung verstaut hatte, fand aber die Kameratasche nicht. Verwirrt legte er alles wieder an seinen Platz und suchte ein weiteres Mal. Nichts. Er überlegte. Hatte er von der Ankunft Fotos geschossen? Er zog seinen Rucksack zu sich, wühlte in seiner Kleidung und ertastete etwas Hartes: die
Weitere Kostenlose Bücher