Töte mich - Osborne, J: Töte mich - Kill Me Once
über den Sommer »zu einer Tante« nach Colorado, wo sie den illegitimen Bastard in einem von katholischen Missionaren geführten Waisenhaus gebar.
Am Tag, an dem ihr Sohn zur Welt kam – nach einer albtraumhaften, zwölf Stunden dauernden Geburt –, durfte sie ihn nur für einen kurzen Moment halten, bevor er ihr sanft aus den Händen gewunden wurde.
»Es ist besser so«, sagte eine der Nonnen und strich Sara eine verschwitzte blonde Locke aus den nassen, verquollenen Augen. »Auf diese Weise hat er ein besseres Leben.«
Das Baby schrie nach seiner Mutter, als die Nonnen zur Tür gingen. Sara spürte, wie ihr Herz in eine Million Scherben zersprang, als sie hilflos zusehen musste, wie ihr kleiner Sohn ihr für immer weggenommen wurde.
»Ich liebe dich, Jeremiah«, flüsterte sie.
An der Tür drehte die Nonne sich um und lächelte. »Ich bin sicher, er liebt dich ebenfalls, Sara. Aber das ist nun einmal Gottes Wille.«
59.
»Verlogenes, dreckiges Miststück!«
Nathan kniete mit dem ganzen Gewicht auf Saras Schultern und starrte ihr hasserfüllt in die Augen.
Er atmete tief durch und zwang sich zur Ruhe. »Das ist eine wirklich rührende Geschichte, Mom. Wirklich rührend. Ich fürchte nur, sie ist nicht gut genug. Jetzt ist die Zeit gekommen, die Zeche zu bezahlen, du Nutte. Aber zuerst will ich dir zeigen, wie ich aufgewachsen bin. Was sagst du dazu?«
Er drehte Sara auf den Bauch, riss ihr das Satinhöschen herunter und schlug sie mit der flachen Hand auf den Hintern, mit aller Kraft, dass es brannte und die Haut rot anlief.
»›Denn das sollt ihr wissen: Kein unzüchtiger, schamloser oder habgieriger Mensch, kein Götzendiener erhält ein Erbteil im Reich Christi und Gottes!‹ Epheser, Kapitel fünf, Vers fünf.«
Er schlug erneut zu, diesmal noch härter. »›Der Ruchlose soll seinen Weg verlassen, der Frevler seine Pläne. Er kehre um zum Herrn, damit er Erbarmen hat mit ihm, und zu unserem Gott; denn er ist groß im Verzeihen.‹ Jesaja, Kapitel fünfundfünfzig, Vers sieben.«
Nathan drehte Sara auf den Rücken, drückte ihre Schultern wieder mit den Knien nach unten, strich mit dem Messer über ihren Hals und fügte ihr einen oberflächlichen, dennoch äußerst schmerzhaften Schnitt zu. Er stöhnte leise auf. Selbst in der Dunkelheit sah er den wunderbaren Kontrast zwischen dem hellroten Blut und der blassen weißen Haut.
In diesem Moment weiteten sich Sarahs blaue Augen voller Panik, und sie starrte an ihm vorbei zur Tür. Er wirbelte herum und sah seine kleine Schwester im Eingang stehen. Sie hatte ihren Schlafanzug an und hielt einen Teddy in der Hand. Sie trat unruhig von einem Bein aufs andere, als müsste sie dringend auf die Toilette.
»Was ist denn los, Mami?«, fragte die dritte Maus mit heller, piepsiger Stimme. »Du machst mir Angst, Mami! Wer ist der Mann auf dir? Wo ist Daddy?«
Nathans kleine Schwester erstarrte förmlich, als ihre Blicke sich zum ersten Mal begegneten. Er ließ sie nicht einen Moment aus den Augen, als er mit der scharfen Klinge erneut über Saras schlanken Hals fuhr – mit dem Unterschied, dass er diesmal Druck ausübte und ihre Kehle bis zum Knochen aufschnitt.
Das kleine Mädchen schrie so laut, dass es das wässrige Gurgeln aus dem Mund ihrer Mutter übertönte, als Sara an ihrem eigenen Blut erstickte.
Nathan sprang vom Bett und wollte sie packen. Die großen blauen Augen weiteten sich noch mehr, als er mit dem blutigen Messer ausholte. Tropfen lösten sich von der Klinge und spritzten in ihr winziges Gesicht.
Das war der Moment, in dem die Haustür mit einem lauten Knall aufflog.
»Sara? James? Was ist hier los? Ich bin’s, Ralph Wilson von nebenan. Nancy und ich haben Schreie in Ihrem Haus gehört und die Polizei gerufen. Ist alles in Ordnung?«
Angst und Wut erfassten Nathan. Er rannte an dem vor Schock erstarrten kleinen Mädchen vorbei in den Flur. Das Herz schlug ihm bis zum Hals, als er ins Schlafzimmer seiner Schwester stürzte und sich zum offenen Fenster hochzog. Tränen unkontrollierter Raserei schossen ihm in die dunkelbraunen Augen, als er durch den Garten rannte und in der Dunkelheit verschwand. Er hatte sich erschrecken lassen, und er hatte gekniffen.
Er hatte seine kleine Schwester am Leben gelassen.
60.
Lakritze. Sie roch Lakritze in seinem Atem.
Der Mann mit dem scharfen Messer stand wieder neben ihrem Bett, als Dana keine Stunde später vom schrillen Läuten des Telefons aus dem Schlaf gerissen wurde.
Sie tastete in
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