Töte mich - Osborne, J: Töte mich - Kill Me Once
hast mir vielleicht einen Schrecken eingejagt. Ich dachte, du hättest dir den Hals gebrochen oder sonst was. Beeil dich und komm wieder ins Bett.«
Er grinst, während er dem Geräusch ihrer sich entfernenden Schritte lauscht. Er steigt über den Leichnam ihres toten Mannes und tritt nach draußen in den dunklen Flur.
Die Tür zum Elternschlafzimmer ist keine fünf Meter entfernt. Er wartet einen Moment, bis seine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt haben. Dann überwindet er die Entfernung mit ein paar raschen Schritten.
Seine Mutter liegt im Bett auf der Seite. Sie trägt nur ein hauchdünnes grauweißes Negligé und hat den Kopf kokettierend auf eine Hand gestützt.
»Willst du die ganze Nacht aufbleiben, oder kommst du wieder ins Bett und leistest mir Gesellschaft, Süßer?«
Grinsend betritt Nathan das Zimmer. Seine Mutter richtet sich voller Entsetzen kerzengerade auf, als sie sieht, dass es nicht ihr Mann ist. Sie stößt einen leisen Schreckenslaut aus, ist aber zu betäubt, um sofort loszuschreien.
»Guten Abend, Sara«, sagt er ruhig. »Was für ein ausgesprochenes Vergnügen, dich endlich mal wiederzusehen.«
Als sie ihre Stimme wiederfindet und schreit, ist das Geräusch so ohrenbetäubend und schrill, dass er zusammenzuckt. Das ist nicht gut, gar nicht gut, und es ist nicht Teil des Drehbuchs. Wenn sie schreit, hört sie vielleicht jemand und kommt, um ihn aufzuhalten. Und dann werden sie versuchen, den Adler in einen Käfig zu sperren, und das darf er auf keinen Fall zulassen.
Er sprintet durchs Zimmer und presst seine große Hand auf ihren Mund. »Halt dein verdammtes Maul, Miststück!«, zischt er, dass sein Speichel seiner Mutter ins Gesicht spritzt. »Noch einen Mucks, und ich hacke deine kostbare kleine Tochter in so viele Stücke, dass man sie nicht mal für ihre Beerdigung wieder zusammensetzen kann.«
Sara windet sich verzweifelt in seinem starken Griff, eine machtlose kleine Feldmaus in den Klauen eines gewaltigen Adlers. Er grinst und beugt sich hinunter, starrt ihr direkt in die Augen. Aus dieser kurzen Distanz kann er ihre Angst förmlich riechen – ein Geruch wie eine Mischung aus Urin und Batteriesäure. »Verrate mir eins«, sagt er. »Hast du überhaupt eine Ahnung, wer ich bin?«
Genau in diesem Augenblick dämmert es Sara Whitestone.
»Jeremiah …«, flüstert sie.
Er bricht sich fast einen Finger, so heftig ohrfeigt er sie. »So heiße ich nicht mehr, Miststück. Dafür hast du vor langer Zeit gesorgt – und dafür wirst du heute Nacht sterben. Aber sag mir vorher eins, Mom . Wie konntest du so etwas tun? Wie konntest du dein eigenes Baby einfach weggeben?«
57.
Als Zehntklässlerin an der Trinity Catholic Academy in Eastlake, Ohio, zog Sara Beth Quigley in den 1950er-Jahren eine Menge Aufmerksamkeit auf sich.
Zum einen galt sie als die mit Abstand intelligenteste Person an der gesamten Academy. Nicht nur als die intelligenteste Schülerin, oh nein – als die intelligenteste Person . Lehrer eingeschlossen.
Sie hatte den Studierfähigkeitstest bereits zweimal bestanden und in der neunten Klasse einen nationalen Wissenschaftspreis gewonnen für ihre Studien mutierender Gene in Lake-Erie-Karpfen. Sie war eine selbstbewusste und wortgewandte Rednerin, und das in einem Alter, in dem die meisten Mädchen unter so großen Selbstzweifeln litten, dass ein einzelner Pickel reichte, dass sie sich den ganzen Tag krankmeldeten.
Wegen der glatten Einsen Saras in jedem Fach kursierten Gerüchte, dass die Lehrer ihre Noten bereits zu Beginn des Schuljahres eintrugen – was natürlich an den Haaren herbeigezogen war. Sara Quigley hatte sich jede Eins verdient, die sie jemals erhalten hatte, und mehr noch, sie war gewissermaßen das genaue Gegenteil einer Streberin, die um Noten feilschte.
Fast jeder, mit dem Sara jemals in Kontakt kam, betete sie an, selbst die Nonnen in der Schule – und die hatten allen Grund dazu. Sara war ein unglaublich süßes, gottesfürchtiges junges Mädchen von der Sorte, die sich freiwillig meldete, am Samstagnachmittag die Kirche auszukehren. Viele Schwestern versuchten im Stillen, sie nach dem Abschluss zum Beitritt zu ihrem Konvent zu überreden, und Sara dachte ernsthaft darüber nach. Schließlich war ein Leben, dass Gott gewidmet war, alle Mühen wert. Außerdem gab es in ihrer Familie eine lange Tradition von Geistlichen, und Sara hätte nichts dagegen gehabt, in die Fußstapfen ihrer Vorfahren zu treten.
Doch Sara Quigley war nicht
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