Töte mich - Osborne, J: Töte mich - Kill Me Once
so hart gearbeitet haben.«
Eine Träne bildete sich in ihrem Augenwinkel, verharrte einen unsicheren Moment lang, als wüsste sie nicht, was sie als Nächstes tun sollte; dann kullerte sie langsam ihre Wange hinunter.
»Und weißt du was?«, antwortete James und zog seine Frau zärtlich an sich, um die Träne wegzuküssen. »Ich denke, du hast vollkommen recht.«
Sara Whitestones schmale Schultern bebten, als sie heftiger weinte, während sie sich einmal mehr fragte, wie sie ihr großes Geheimnis noch länger vor diesem Mann verbergen konnte, der sie so unübersehbar mehr liebte als das Leben selbst.
Doch James Whitestone drückte seine Frau nur noch fester an sich und küsste sie erneut, diesmal noch zärtlicher.
13.
The Blanton Inn, Los Angeles,
7.12 Uhr morgens
Am Morgen nach der Ermordung von Mary Ellen Orton erstand Nathan Stiedowe in der Lobby des Motels eine Ausgabe der Los Angeles Times und kehrte damit in sein Zimmer zurück, bevor er nach dem Bericht über seine vorangegangenen nächtlichen Eskapaden suchte.
Rasch überflog er die Titelseite. Die Schlagzeile war eine Story über Obamas Zeitplan für den Truppenabzug aus Afghanistan. Die beiden Spalten rechts davon nahm ein Artikel über H1N1-Impfungen ein, der auf Seite A3 fortgesetzt wurde. Das Mittelstück zusammen mit einem über vier Spalten gehenden Foto beinhaltete einen Artikel über die Schwarzen und ihre Bemühungen, Konserven für das bevorstehende Thanksgiving zu sammeln. Den Abschluss im unteren Teil bildete ein Bericht über die steigenden Kosten für das Schulessen.
Kein Wort über ihn. Diese Idioten würden eine gute Story nicht mal dann erkennen, wenn sie ihnen die verdammten Nasen abbeißt.
Er hatte es auch nicht auf die erste Seite der Lokalnachrichten geschafft. Schließlich fand er die Story am Ende von Seite B5, geschickt positioniert gleich neben einer Anzeige für ein Beerdigungsinstitut. Har-har-har. Redakteure und ihre dämlichen Witze.
Der kurze Bericht wurde eingeleitet von einer vergleichsweise winzigen Zwanzig-Punkt-Überschrift, selbstverständlich nicht in Fettdruck.
FRAU IN SOUTH CENTRAL
IN DER NACHT ERMORDET
Rasch überflog Nathan die amateurhafte Arbeit des Reporters. Wahrscheinlich ein Anfänger, der noch feucht hinter den Ohren war, wenn man bedachte, was für eine Story er verpasst hatte. Nach einem Moment des Nachdenkens glaubte Nathan den Grund dafür zu wissen. Der Idiot hatte nicht einmal den Namen des Opfers richtig mitgekriegt und sie »Mary-Ann Orton« genannt anstatt »Mary Ellen«.
Nathan knirschte mit den Zähnen. Als er noch Kriminalreporter gewesen war, wäre so etwas nicht durchgegangen. Der leitende Redakteur hätte ihm den Arsch aufgerissen und ihm vor versammelter Mannschaft einen Einlauf verpasst, der sich gewaschen hatte. Die anderen hätten ihn voller Schadenfreude ausgelacht. Niemand wollte sich bei schlampiger Arbeit erwischen lassen, und wenn ein Kollege deswegen in Schwierigkeiten steckte, bedeutete dies lediglich, dass der eigene Job für den Moment sicher war in einem Geschäft, das mit jedem verstreichenden Tag schneller starb. Und ganz ehrlich – mit dem Internet im Rücken und den heutigen TV-Dauer-Nachrichtensendungen war es das Wenigste, was man tun konnte, den verdammten Namen des Opfers richtig zu schreiben.
Er knüllte die Zeitung zusammen und schleuderte sie angewidert durchs Zimmer, bevor er tief durchatmete und sich zur Ruhe zwang. Scheiß drauf. Der wichtige Teil war, dass er Richard Ramirez’ unvergessliches Verbrechen minutiös nachgestellt hatte. Die Zeit war gekommen, um den zweiten berüchtigten Serienkiller auf seiner blutig roten Liste abzuhaken.
Er glaubte irgendwo gelesen zu haben, dass Dennis Rader – der berüchtigte Folterkiller, der in Wichita, Kansas, sein Unwesen getrieben hatte – zum Frühstück am liebsten Steak und Ei gegessen hatte. Dummerweise war Nathan Vegetarier; deswegen kam das nicht infrage. Es gab Prinzipien, die er nicht zu umgehen bereit war.
Egal. Ein klein wenig Improvisation war gut für die Seele des Künstlers.
Gottverdammt, ja.
Dennis Raders berüchtigten Vierfachmord an der Otero-Familie im Jahr 1974 nachzustellen würde sicher ganz lustig werden, doch vorher musste Nathan dafür sorgen, dass sämtliche Details perfekt waren. Das war der entscheidende Punkt – der zentrale Punkt seiner heiligen Mission –, und um dies zu bewerkstelligen, war ein kurzer Abstecher in eine Bücherei erforderlich.
Nathan ging ins Bad
Weitere Kostenlose Bücher